In dieser Serie "Christliche vs. säkulare Beratung" denke ich über Feinheiten nach. Manche werden einwenden: Es gibt doch ausgezeichnete säkulare Beratung – ausgezeichnet in dem Sinne, dass sie von Erfolg gekrönt ist. Es fragt sich, woran wir "Erfolg" messen, wie ich das bereits ausgeführt habe. In der Regel misst der säkular denkende Mensch am Grad seiner momentanen Erfüllung.
Jede christliche orientierte Beratung sollte stark am Bewusstmachen der motivationalen Basis arbeiten. Worauf ist unser Streben ausgerichtet? Jeder Mensch ist mit einem Grundstreben nach Glück und Erfüllung ausgestattet. Weil er in Sünde gefallen ist, zeigt die innere Kompassnadel in eine falsche Richtung. Das höchste Gut, auf welches das Streben gerichtet ist, stellt nicht mehr Gott dar, sondern ein Ersatz. Dieser Ersatz kann vielfältig sein:
- Sich selbst: Perfektionismus – eigene Erwartungen, Dominanz in Beziehungen, Gefühlszustände
- Andere Menschen (Personen aus der Familie; aus der Arbeit; aus der Medienwelt, z. B. auf Instagram; andere Kulturen)
- Materielles (Besitz in jeder Form, Tiere)
- Ideen, denen wir heilsbringenden Charakter beimessen
Die Krux der Beratung besteht gerade darin, nicht zu einem Götterwechsel zu animieren. Die Frustration des Ersatzglaubens lässt uns regelmässig nach neuen Götzen Ausschau halten. Die säkulare Beratung (und die christliche in säkularem Gewand) prägt oft die Maxime: "Du musst dir selber etwas gönnen – besser auf dich selbst hören – mit dir selber ins Reine kommen." Das Verbindende dieses Anspruchs ist das Wort "Selbst". Der christliche Glaube will aber gerade von dieser götzendienerischen Selbstfixierung lösen. Timothy Keller spricht von der Freiheit der Selbstvergessenheit.