Diskussion um die Hartl-Begeisterung: Wir sind es nicht mehr gewöhnt, um inhaltliche Positionen zu ringen

Nach der MEHR-Konferenz wird in Foren eifrig diskutiert, z. B. hier.

Was veranlasst viele Evangelikale, begeistert einem bekennenden Katholiken zuzuhören? Zugegeben: Es braucht mehr als einige kurz Schlagworte. Michael Kotsch hat sich vor einiger Zeit sein Buch "Katholisch als Fremdsprache" gelesen und sich kritisch geäussert:

Für die katholische Kirche ist Johannes Hartl ein wirklicher Glücksfall. Er spricht überzeugend, frisch und zeitgemäß. Er kann seine Zuhörer begeistern und versteckt sich nicht hinter schwammigen Formulierungen oder traditionellen Phrasen, die nur allzu oft bei traditionellen Priestern anzutreffen sind.

Letztlich aber will Johannes Hartl alle Christen wieder in der katholischen Kirche vereinen und benutzt dazu etwas charismatisches Beiwerk, um die Emotionen der Menschen anzusprechen. Als Ziel des Augsburger Gebetshauses benennt Hartl, „charismatische und traditionell katholische Elemente kreativ [zu] vereinen“.

Als dogmatisch konservativer Katholik benutzt Hartl in seinen Ansprachen auch zentrale biblische Begriffe wie Kreuz, Glaube, Gnade, Erlösung oder Gebet. Allerdings füllt er sie in vielen Fällen anders als evangelikale Christen das gewöhnlich machen.

Der Theologe Ron Kubsch hat in die aktuellen Vorträge hineingehört und gibt zu bedenken:

Wenn Du den Gottesdienst am Sonntag nicht als katholisch identifizieren konntest, muss ich mir wirklich Sorgen machen. Der Gottesdienst war eine komplett katholische Veranstaltung, mit geweihtem Wasser, Gebet für die Verstorbenen, Taufwiedergeburt, einer katholischen Messe etc. Das ist ja verständlich, da eben ein katholischer Gottesdienst. Was nicht geht: Ein Einebenen der Lehrunterschiede mittels Lobpreis und guter Stimmung. Die Unterschiede sind da, sie können auch nicht weggebetet werden.

Die beiden Theologen Robin Dammer und Jochen Klautke haben kürzlich in "War die Reformation Sünde?" die Rechtfertigungslehre begutachtet.

Wer seine Begeisterung für die Ökumene nicht teile, der habe vielleicht nur Angst, dass anderen das Bier woanders besser schmecke als im eigenen Lager, schreibt Hartl. Was der römisch-katholische Theologe nicht sieht oder vielleicht auch gar nicht sehen will: Es geht nicht um Bier – auch nicht im übertragenen Sinne, sondern um sehr viel mehr. Es geht um das Zentrum unseres Glaubens und damit um die Frage, wer Jesus ist, was er getan hat und wo Menschen die Ewigkeit verbringen werden. Initiativen wie das Gebetshaus Augsburgkönnen deshalb auch nicht als Fortschritt zur konfessionellen Wiedervereinigung betrachtet werden, denn sie verschleiern die Grundlage wahrer geistlicher Gemeinschaft. Sie versuchen ohne Evangelium etwas zu stiften, was biblisch betrachtet eine direkte Frucht des Evangeliums ist.

Ich befürchte, dass viele eine solche Diskussion einfach als "Kritikgeist" abtun. Wir sind es uns nicht mehr gewöhnt, inhaltliche Diskussionen zu führen und hart zu ringen. Manchen werden positive Gefühle genügen. Sie sind sich von ihrer kirchlichen und gesellschaftlichen Sozialisierung nicht anders gewöhnt. Mir persönlich war das Werk von Gregg R. Allison "Roman Catholic Theology and Practice" eine grosse Hilfe. Ich habe es ausführlich rezensiert.