Zitat der Woche: Die grösste Herausforderung für die Kirche im Westen

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Os Guinness, Religionssoziologe und Kulturkritiker, spricht in seinem Buch “Impossible People: Christian Courage and the Struggle for the Soul of Civilization” aktuell von der grössten Herausforderung, welcher die Kirche im Westen je ausgesetzt war.

Wenn jemand den meisten Kirchgemeinden im Westen erzählen würde, dass der Kirche die grösste Herausforderung bevorsteht, die sie je gesehen hat, dann wäre die Chance gross, dass er verwunderte Blick ernten würde. Wie nicht diagnostizierter Krebs ist das Wesen und die Quelle der Gefahr, der wir gegenüberstehen, nicht in den Köpfen der meisten westlichen Christen. Das würden sie offen zur Antwort geben. … Warum (ist die Gefahr so gross)? Weil die Moderne der Kirche mehr Schaden zugefügt hat als alle Verfolger der Kirche und alle Irrlehrer zusammengenommen. … Lasst mich Klartext reden. Wenn die Moderne eine tödliche Herausforderung für die Kirche darstellt, dann nicht in der Form einer direkten Herausforderung, wie dies feindliche Ideologien sind. …

If anyone were to tell most congregations in the West that the modern church is facing the greatest challenge the church has ever encountered, chances are that he or she would be met with puzzled looks. Like an undiagnosed cancer, the nature and source of the danger we face is not on the minds of most Western Christians, so they would respond blankly. …  why? Because modernity has done more damage to the church than all the persecutors of the church and all the heretics combined. … Let me be clear. If modernity is a deadly challenge to the church, it is not a frontal challenge in the way that hostile ideologies are. …  (63+64)

Der Schaden entsteht nicht durch Opposition, sondern durch Verführung und Verzerrung. Es wird beispielsweise nicht gesagt, “kein Glaube erlaubt”, sondern “es braucht hier keinen Glauben”. Entgegen den Aussagen von Jesus und der Torah erklärt die Moderne, dass der Mensch jetzt “vom Brot alleine” leben könne, besser gesagt durch die Wissenschaft, die Techologie, Management und Marketing. Die Säkularisten wollen Gott nicht, wohingegen die Säkularisierten keinen Bedarf nach Gott haben. Das ist nur eine der vielen Verführungen und Verzerrungen der Moderne.

Its damage is not through opposition but through seduction and distortion. It doesn’t say, for example, “No faith allowed here” but “No faith is needed here.” Contrary to Jesus and the Torah, modernity claims that man can now live “by bread alone,” or rather by science, technology, management and marketing alone. Secularists do not want God, whereas the secularized have no need of God, and that is only one of the many seductions and distortions of modernity. (65)

Guinness konkretisiert anhand von drei Verschiebungen.

1. Das tief verankerte Prinzip der freien (Konsumenten-)Wahl: “Eine erste und kritische wichtige Verzerrung kommt von der Art, wie die Moderne uns von einem Stand unter Autorität zu einem der Vorliebe verschiebt. Vorsichtiger ausgedrückt, sie tendiert dazu alle Formen der Autorität zu unterwandern und sie mit dem Gefühl zu ersetzen, dass alle Antworten nur eine Frage der Vorliebe darstellten. … Die Wahl auf Kosten des Inhalts hebt den souvänen Wählenden empor und entwertet den Inhalt der Auswahl, indem sie diese auf Vorlieben reduziert.”

“A first and crucially important distortion comes from the way the modern world shifts us from a stance under authority to one of preference—or expressed more carefully, tends to undermine all forms of authority other than its own and replaces them with the sense that all responses are merely a matter of preference. …  Choice at the expense of the content of the choice elevates the sovereign chooser and devalues the content of the choice and reduces it to a preference.” (66+69)

2. Die Fragmentierung des Lebens und die Bewertung des Glaubens öffentlich irrelevant: “Das zweite Beispiel der Verzerrungen der Moderne ist die Tendenz der modernen Welt die Religion von einer Position der Integrität zu einer der Fragmentierung zu verschieben. (Es handelt sich um) die offensichtliche Tendenz bzw. Versuchung, in einer fragmentierten Welt mit dem Strom zu gehen und all die unterschiedlichen Plätze und separaten Dinge im Leben als naturgegeben zu akzeptieren. Dadurch beginnt man an jedem Ort leicht anders zu leben und die Dinge getrennt voneinander zu behandeln – ohne es zu realisieren.”

“The second example of the distortions of modernity is the tendency of the modern world to shift religion from a position of integration to one of fragmentation. …  the obvious tendency, or temptation, in a fragmented world is to go with the flow and to accept all the different places and the separate issues in life as natural, and then to live slightly differently in each place or treat the separate issues separately without realizing it.” (75+76)

3. Das geschlossene Universum: “Eine dritte gefährliche Verzerrung, die durch die Moderne ausgelöst wird, verschiebt das Bewusstsein vom Übernatürlichen hin zum Säkularen. Es wäre absurd zu denken, dass vormoderne Menschen immer fromm gebetet hätten und sich grundsätzlich von uns unterschieden hätten, indem sie mit ihren Köpfen in übernatürlichen Sphären schwebten. Auch sie mussten ihr Abendessen kochen und ihren Müll entsorgen. Aber als eine der wichtigen Unterschiede zwischen ihrer Welt und unserer existierte das Bewusstsein, dass dass Unsichtbare nicht unwirklich ist (- im Gegenteil).” 

“A third critical distortion effected by modernity is the general shift in consciousness from the supernatural to the secular. It would be absurd to think that premodern people were always piously praying or were really fundamentally different from us in living with their heads in the supernatural clouds. They too had to cook their dinner and dispose of their trash. But among many profound differences between their world and ours, one was that for them the unseen was not unreal.” (77)