Zitat der Woche: Je größer das Wagnis, der zeitliche Druck, die Gefahr des Scheiterns, desto höher die literarische Produktivität

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Die literarische Genialität Dostojewskijs wurde um einen teuren Preis erkauft. Das beschreibt Andreas Guski eindrücklich in seiner neu erschienen Biografie.

Bereits in jungen Jahren schreibt Dostojewski: «Arbeit, Risiko, Profit. Darin liegt die Kraft » (31. 12. 1843, zit. S. 67).

So hatte „seine literarische Karriere doch von Anfang an im Zeichen der Spekulation und des Risikos gestanden. … Schließlich bleibt das Risikobis in die siebziger Jahre ein wesentliches Stimulans seiner Literaturproduktion.“ (220)

In einem Brief über den Plan zum Buchprojekt (S. 234): „Der Spieler“ schreibt er: „Der Spieler… sei «auf seine Weise ein Poet». Doch schäme er sich dieser Poesie, denn tief innerlich spüre er ihre Erbärmlichkeit, wiewohl der Zwang zum Risiko ihn in seinen eigenen Augen adele (30. /18. 9. 1863). Edel und «poetisch» stellt das Hasardspiel sich demnach nur aus der Sicht des Helden dar. Diese Nobilitierung aber ist Selbstbetrug, da sie das innere und damit das für Dostojewskij zuverlässigere Wissen um die Erbärmlichkeit des Spiels übertünchen soll.

Für einen grossen Teil seines Lebens führt dies für seine Nächsten und seine Gläubiger zu bizarren Situationen. Seine Frau Anja war dem besonders ausgesetzt (S. 266):

Dass er immer aufs Neue das gemeinsame Geld verspielt, dass er Anja nach starken Verlusten zwingt, ihre letzten Ersparnisse herauszurücken und ihre Kleidung zu versetzen, dass er keine Hemmungen hat, selbst das von Anjas Verwandten für den Lebensunterhalt geschickte Geld zu verspielen, dass er ständig an Anjas Garderobe herummäkelt, ihr aber kein Geld gibt, um sich neu einzukleiden (während er selbst sich in Dresden zwei neue Anzüge gekauft hat), dass er sich an keines seiner vielen Gelöbnisse hält, endlich die Finger vom Roulette zu lassen – all dies macht deutlich, dass Dostojewskij in seiner eigenen Terminologie kein «Gentleman-Spieler», sondern ein «plebejischer Spieler» ist, der nicht nur sein Geld, sondern seine Existenz aufs Spiel setzt.

Wie ging sie damit um (S. 268)? „Sie weiß, dass Fedja stets bis zur äußersten Grenze gehen muss und Ruhe erst findet, wenn er diese Grenze erreicht oder überschritten hat. Sie weiß auch, dass das Risiko eine wesentliche Antriebskraft seiner literarischen Produktion ist, schließlich hat sie ihn bei der Umsetzung seines bislang riskantesten Projekts, des Romans «Der Spieler», kennengelernt und den Abschluss der kaum minder risikoreichen Entstehungsgeschichte von «Schuld und Sühne» miterlebt. Was das Glücksspiel mit Dostojewskijs literarischer Produktion gemein hat, ist nicht die illusionäre Umdeutung des Spiels zur Brotarbeit, sondern die Psychologie des russischen Roulette, das Aufs-Spiel-Setzen des eigenen Ich.“

Erst im Lebensabend, als die Geschäftstüchtigkeit seiner Frau und sein Ruhm ihm zu geregeltem Einkommen verhalfen, änderte sich die Situation. „Bislang hatten Glücksspiel und Schriftstellerei eine gemeinsame Wurzel im Reiz des Risikos. Je größer das Wagnis, der zeitliche Druck, die Gefahr des Scheiterns, desto höher die literarische Produktivität.“ (S. 301)

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