Redner: D. A. Carson
Einwand gegen das Christus-zentrierte Predigen
Ein Einwand wird gegen das Christus-zentriertes Predigen erhoben: Es sei ein zu künstliches Lesen des Alten Testamentes. Und dann geht man ins AT zurück, um ein Zitat im Neuen Testament zurückzuverfolgen. Aber, oh weh, der Zusammenhang bleibt rätselhaft. Andere wenden ein: „Ich sehe nicht viel von Jesus Christus im Alten Testament. Gott geht es doch um Gott. In der Bibel insgesamt geht es um den dreieinigen Gott.“
Auf einer gewissen Ebene ist die Frage „Christus-zentriert oder trinitarisch“ irreführend. Das Evangelium ist unentrinnbar trinitarisch.
Was ist das Evangelium?
Einige bringen es auf die Kurzform von Apg 16: Glaube an den Herrn Jesus Christus. Oder: Predige das Evangelium, und wenn nötig benütze dazu Worte (nach Franz von Assisi). Was auch immer das Evangelium ist, es ist eine Nachricht! Wie wenn man einem Nachrichtensprecher sagen würde: Lies die Nachrichten ohne Worte.
Das Evangelium in einem Satz: „Das Evangelium ist die Gute Nachricht von Jesus, der gekreuzigt wurde.“ Hier fehlen Himmel und Hölle, der Heilige Geist, Gottes Volk, die Stellvertretung, die Rechtfertigung durch den Glauben allein oder das Reich Gottes.
Etwas länger: Es geht um die Gute Nachricht, dass Gott sein erwähltes Volk durch das stellvertretende Opfer von Jesus, der Mensch wurde, lebte, starb und auferstanden ist für unsere Rechtfertigung, erlöste. Er giesst seinen Heiligen Geist über uns aus, was zu Busse und Wiedergeburt führt. Christus herrscht in der Erwartung, dass er alles zur Vollendung bringt und wir dann als Auferstandene in einem neuen Himmel und auf einer neuen Erde leben werden. Ein Vorgeschmack davon ist die Versiegelung mit dem Heiligen Geist.
Das Evangelium ist das Werk Gottes in der Zeit, das erfüllt wurde durch seinen Sohn. Wir können diesen Punkt von vielen unterschiedlichen Seiten betrachten. (Carson greift im Rest des Vortrags nochmals zwei Themen der gesamten Schrift, den Tempel und die verheissene Ruhe, auf.)
Beispiel 1: Der Tempel in der ganzen Bibel
Der Tempel ist Treffpunkt zwischen Gott und seinem Volk. Der erste Tempel war der Garten Eden. Nach dem Sündenfall trifft sich Gott jedoch weiterhin mit seinem Volk. Abraham bringt Opfer ohne Gebäude. Jakob hat eine Begegnung mit Gott und nennt diesen Bethel (Haus Gottes). Dann wird die Stiftshütte gebaut. Sie sollte nach dem göttlich gezeigten Muster gebaut werden. In die Gegenwart Gottes kann man aber nicht einfach so kommen, sondern nur durch das Blut von Tieren. Salomo baute den Tempel mit Steinen. Es ist Gottes gnädiges Design, es gibt keine Magie an diesem Ort. Nach Jahrhunderten des moralischen Verfalls droht Gott den Tempel zu zerstören. Wie bitte? Die Stadt des grossen Königs, die schon so viele Male verschont worden ist? Ja, Stadt und Tempel werden zerstört (Ankündigung in Hes 11, Bestätigung in Hes 33). Doch: „Fürchtet euch nicht, denn ICH werde ein Heiligtum für euch sein.“
Der Treffpunkt hängt also nicht von Gebäuden ab, sondern von der Gegenwart Gottes. Das führt zur spektakulären Schlussfolgerung in Hes 40-48: „Der Herr ist dort.“ Nehmen wir den Faden im NT auf. Jesus sagt in Joh 2: Zerstöre diesen Tempel und in drei Tagen baue ich ihn wieder auf. Ohne vorfabrizierte Teile, ohne hydraulische Maschinen? Das würde doch Jahrzehnte gehen! Sogar seine eigenen Jünger hatten keine Ahnung, wovon er sprach. Erst nach seiner Auferstehung erinnerten sie sich wieder an diese Worte. In Jesus haben wir den ultimativen Ort der Begegnung zwischen dem heiligen Gott und dem Sünder. In der Gemeinde begegnet Gott seinem sündigen Volk. Im Korintherbrief wird sogar der Körper der Gläubigen als Tempel bezeichnet. Menschen begegnen dem heiligen Gott durch die Gemeinde und den einzelnen Erlösten. In der letzten Vision der Bibel erscheint das neue Jerusalem als ein Würfel. Es gibt nur noch das Allerheiligste im AT, das als Würfel angeordnet worden war. Dies war eine Vorschattung dafür, dass das komplette Volk Gottes an diesem Ort sein würde. Der allmächtige Gott und das Lamm sind der Tempel.
Fazit: Es wäre absurd zu sagen, dass dieses Thema trinitarisch wäre! Der Fokus liegt auf der Christologie. Der letztendliche Tempel, der Treffpunkt zwischen Gott und sündigem Volk, ist Jesus Christus.
Beispiel 2: Das Themenfeld der Ruhe
Ein Zitat aus Psalm 95 wird in einer Analogie aufgegriffen und als moralische Lektion angewendet (Hebr 3,12-19); in Hebr 4 nimmt der Autor dasselbe Zitat und legt es typologisch aus. Der Psalm ist historischer Natur. Das Volk Israel ist aus Ägypten heraus-, aber nicht ins Land hineingerettet worden. Der Verfasser des Hebräerbriefes wendet es auf das neutestamentliche Bundesvolk an. Einzuziehen in das Land der Ruhe, was unter Josua geschah, kann noch nicht die letzte Ruhe gewesen sein. Hunderte Jahre später fordert Gott sein Volk auf, seine Stimme zu hören („heute…“). Echtes Christsein ist dadurch definiert, dass es durchhält. Sei nicht wie das Volk, das auszog, aber nicht ankam. Es wird den Christen als Beispiel vorgehalten, dass sie durchhalten sollen. Wenn sie standhaft festhielten, würde sich das als Zeichen des echten Christseins erweisen.
In Hebr 4,11 wird erneut Ps 95 zitiert. Worauf bezieht sich die Ruhe? Der Schreiber erinnert sich an den Schöpfungsbericht; die Sabbatruhe als Teil der zehn Gebote. In Ps 95 wird gesagt, dass die ultimative Ruhe noch nicht erreicht ist. Das Thema der Ruhe zieht sich durch die ganze Schrift. Es ist nicht ausgeschöpft in der Schöpfungswoche, in den Geboten, mit dem Einzug in das verheissene Land, mit dem Rückblick des Psalmisten. Die letzte Ruhe, die Gott schenkt, würde noch kommen. Der einzige Text, der nicht zitiert wird, ist Mt 11 („ich werde euch Ruhe geben“). Es geht um die letzte Ruhe im neuen Himmel und auf der neuen Erde. Diese Ruhe wird durch Jesus gesichert. Dies wird in Hebr 8 entfaltet. Auch dieses Thema bringt uns zu Jesus Christus, dem Mittler des neuen Bundes. Egal, wie wir es drehen und wenden, Christus steht im Zentrum.
Fazit: Die dominanten Themenfelder der Schrift weisen alle auf Christus sind. Jesus ist der Treffpunkt zwischen Gott und Menschen, der Hohepriester, der König der Könige.