Ich bin auf einen ausgezeichneten Artikel zum Cannabis-Konsum hingewiesen worden (Hört auf, Cannabis zu rauchen; NZZ am Sonntag vom 7.12.2018).
Der Einstieg
Zuerst liess ich mich nur einladen. Und auch das nur an Samstagen. Doch allmählich kamen die Sonntage dazu. Dann fing ich an, kleinere Mengen zu kaufen. Allmählich kam die Lust, auch an Wochentagen zu konsumieren, aber vorerst nur nach Einbruch der Dunkelheit. Bald fing ich an, mich schon ab Mittag auf die Abende zu freuen. Dann erweiterte ich den Begriff Abend auf den mittleren Nachmittag.
Ein paar Monate später sass ich bereits ab und an mit einem Spliff beim Frühstück und grinste mit geröteten Augen meine Freundin an. Aber hey, mein Leben lief erfolgreich und easy, ich fand sogar: genau deswegen. Schreiben und Haschisch? Als wäre das Gehirn mit Nähmaschinenöl abgefüllt. Ich schrieb Sätze, die mir unbekifft nie eingefallen wären. Auch Pingpong klappte exzellent.
Weg zur Problemverdrängung
Gab es ein Problem, dann rauchte ich erst mal einen. Rauchen, relaxen und in aller Ruhe darüber nachdenken. Das funktioniert. Man fühlt sich wie ein Einäugiger unter Blinden. Blöderweise denkt man immer häufiger in aller Ruhe nach und raucht noch zwei dazu. Man wird auch richtig gut darin, die ungelösten Probleme zu verdrängen.
Die Folgen
Anfangs geht es ums Öffnen, um den Spass, um Austausch und Magie. Aber eines Tages stellst du fest, dass du von der Welt nichts mehr wissen willst. Dass du nicht mehr einschlafen kannst, wenn in der Schatulle keine Krümel liegen und der letzte Joint zu schwach war.
Haschisch ist keine Droge, die dich zügig ruiniert. Man kann damit über Jahrzehnte funktionieren, aber die Gefahr im Hintergrund wächst. Und sie ist subtil, denn du spürst das Messer nicht, in das du läufst. … Du bist wie ein Pfeil, der im Kreis fliegt, weil deine Ziele verschwinden. … Lässt die Wirkung der Hormone nach, fällt der Level in den Keller, und du musst dich wieder hochrauchen.
Die Besinnung
Entweder leitet man selbst Gegenmassnahmen ein – oder sie werden eingeleitet. Sei es durch eine Psychose oder durch die Tatsache, dass man sich nicht mehr zum Briefkasten traut. Oder durch eine grosse Liebe, die für immer im Treppenhaus verschwindet.
Tagelang, wochenlang, so tickt die Uhr auf Haschisch. Du schiebst Entscheidungen wie Bugwellen vor dir her. … Wer regelmässig kifft, wird zur Mumie, eingewickelt in Hanf. Nichts kommt mehr wirklich ran. Das Manko wird durch ein reflexhaftes, dämliches Grinsen kaschiert.
Sehr deutlich zeigt dieser Zeuge auf, worum es geht: Die Wirklichkeit auf Ärmellänge halten und vor ihr zu flüchten.