Johannes Calvin (1509-1564) fasst die Lehre der Trinität unter Berücksichtigung der Dogmengeschichte sorgfältig zusammen (in seiner Institutio, Buch I, Kapitel 13). Die Überschrift zu diesem Kapitel lautet „Die Schrift lehrt uns schon aus der Schöpfung erkennen, daß ein einiges göttliches Wesen in drei Personen sei.“ Schon am Anfang seines Werkes hatte er ein spekulatives Vorgehen zurück gewiesen: Es sei ein „unnützes Gedankenspiel, wenn einige sich eifrig um die Frage nach Gottes „Sein“ und „Wesen“ mühen. Uns liegt mehr daran, zu wissen, was für ein Gott er ist und was seiner Art gemäß ist.“ (Kapitel 2, Abschnitt 2)
Eine umkämpfte Lehre
„Nun hat der Teufel, um unseren Glauben mit der Wurzel auszurotten, zu allen Zeiten einerseits über das göttliche Wesen des Sohnes und des Geistes, anderseits über die Unterscheidung der Personen gewaltige Streitigkeiten erregt.“ (Abschnitt 21)
Zwei Gefahren: „Alsbald aber entsprangen aus einzelnen Menschen ganze Sekten, die zum Teil Gottes Wesen zerreißen, zum Teil die Unterschiedenheit der Personen verwischen wollten.“ (22)
Ein Grundwesen, drei Wesensarten
„Gott bestimmt sein Wesen noch durch ein besonderes Kennzeichen, das es uns ermöglicht, ihn genauer von allen Götzen zu unterscheiden. Denn er macht kund, daß er der Eine ist, doch so, daß er in drei Personen unterschiedlich betrachtet werden will.“ (2)
Grundwesen und Wesensart: „Wenn nun der Apostel den Sohn Gottes den Abglanz (Charakter) der Person (des Wesens) des Vaters nennt (Hebr. 1,3), so mißt er ohne Zweifel dem Vater eine Wesensart (subsistentia) zu, in der er sich vom Sohne unterscheidet.“ (2)
„Ich verstehe also unter Person eine Seinsweise (subsistentia) in Gottes Wesen, die in ihren Beziehungen zu den anderen eine unübertragbare Eigenheit besitzt. Unter Seinsweise (subsistentia) wollen wir also etwas anderes verstehen als „Wesen“ (essentia). Wäre nämlich das Wort einfach Gott, ohne etwas für sich allein zu haben, so hätte Johannes mit seinem Satz: „Dasselbige war im Anfang bei Gott“ (Joh. 1,1) etwas Verkehrtes ausgesprochen!“ (6)
„Bevor wir jedoch weitergehen, muß erstens die Gottheit des Sohnes und des Geistes bewiesen und zweitens der Unterschied zwischen ihnen gezeigt werden.“ (7)
Schriftbelege zur Gottheit des Sohnes (Auszug):
- Joh 5,17 Der Sohn ist „selbst seit Anbeginn der Welt mit dem Vater zusammen kräftig am Werke gewesen“. (7)
- Das Wort, das im Anfang als Gott bei Gott war, wird zugleich mit dem Vater als Ursprung aller Dinge uns vorgestellt (Joh 1,3). (7)
- Christus wird als Gott bezeichnet und mit der höchsten Macht ausgestattet. (Jes 9,5f) (9)
- Der Engel des Herrn ist Jahwe. (Richter 13,16+18+22) (10)
- AT/NT; Jahwe/Christus: Jes 8,14/ Röm 9,32f; Jes 45,23/Röm 14,10f; Ps 68,19/Eph 4,8; Jes 6,1/Joh 12,41. (11)
- Christus wird im NT als Gott bezeichnet: Joh 1,1+14; 2Kor 5,10; Röm 9,5; 1Tim 3,16; Phil 2,6ff; 1Joh 5,20; 1Kor 8,5; Apg 20,28, Joh 20,28 (12)
- Wunder: Jesus gibt den Jüngern Macht, Tote zu erwecken, Aussätzige rein zu machen, Teufel auszutreiben usw. (Mt 10,8; Mk 3,15; 6,7). Er selbst verweist auf seine Wunder (Joh 5,36; 10,37; 14,11). (13)
Schriftbelege zur Gottheit des Heiligen Geistes (Auszug):
- Wäre der Geist nicht eine Seinsweise in Gott, so würde ihm sicherlich in keiner Weise Wahl und Wille zugeschrieben. Deshalb mißt also Paulus dem Geist mit voller Klarheit göttliche Macht bei und zeigt, daß er als eigene Wesenheit (hvpostatice) in Gott wohne. (14)
- 1Kor 2,10+16 Er erforscht die Tiefen Gottes, reicht Weisheit und Redefähigkeit dar.
- 1Kor 12,4+11 Der Geist ist Urheber der Gaben.
- Paulus folgert daraus, daß der Geist in uns wohnt, daß wir ein Tempel Gottes sind (1. Kor. 3,17; 6,19; 2. Kor. 6,16).
- Heiliger Geist / Gott (Apg 5,3f); Jes 6,9/Apg 28,25 (15)
Deutlichere Offenbarung im Neuen Testament
Wie sich nun Gott in der Ankunft Christi deutlicher offenbart hat, so hat er sich dort auch in den drei Personen vertrauter kundgemacht. (16)
Mt 28,19 „diese Formel bedeutet soviel wie die Forderung der Taufe auf den Namen des einen Gottes, der in voller Klarheit im Vater, im Sohne und im Geiste erschienen ist; und daraus ergibt sich deutlich, daß in Gottes Wesen drei Personen sind, in welchen der eine Gott erkannt wird!“ (16)
Unterschiede ohne Trennung
Es werde “auch ein gewisser Unterschied des Vaters gegenüber dem Worte und des Wortes gegenüber dem Geiste aufgestellt”
„Mir gefällt besonders das Wort des Gregor von Nazianz: „Ich vermag nicht, einen zu denken, ohne sofort von den dreien umstrahlt zu werden; und ich kann die drei nicht scheiden, ohne auf den einen zurückzukommen.“ (Gregor von Nazianz, Von der Heiligen Taufe).“
“Es handelt sich um Unterscheidung und nicht um Scheidung.” (17)
„Dem Vater ist der Anfang des Wirkens zugeschrieben, er ist aller Dinge Quelle und Brunnen, dem Sohne eignet die Weisheit, der Rat und die geordnete Austeilung, dem Geiste die Kraft und Wirksamkeit im Handeln.“ (18)
Verzicht auf menschliche Analogien
„Um diese Unterscheidung näher zu kennzeichnen, hat man zuweilen Ähnlichkeiten aus menschlichen Verhältnissen entlehnt. Aber ich weiß nicht, ob dabei etwas herauskommt. Auch die Alten tun das manchmal; aber sie gestehen doch zugleich, es sei ein großer Unterschied zwischen Sache und Bild. Deshalb scheue ich hier alle Kühnheit; es könnte zu leicht etwas unbedacht Vorgebrachtes den Bösen zu Schmähungen und den Schwachen zum Irrtum Anlaß geben!“ (18)
Gegenseitige Innewohnung
„Diese Unterscheidung tut der vollen Einheit Gottes durchaus keinen Abbruch. Ja, es kann vielmehr gerade aus ihr erwiesen werden, daß der Sohn ein Gott ist mit dem Vater, weil er auch zugleich mit ihm den einen Geist hat, daß aber auch der Geist nicht etwas anderes, vom Vater und vom Sohne Getrenntes ist, weil er ja der Geist des Vaters und des Sohnes ist! Denn unter jeder einzelnen Person (Hypostase) wird die ganze (göttliche) Natur verstanden, mit dem zusammen, was jeder als Eigenheit zukommt.“ (19)
Ordnung ohne Hierarchie und gegenseitige Gemeinschaft
„Wenn wir bekennen, an den einen Gott zu glauben, so versteht man unter „Gott“ das eine und einfache Wesen, in dem wir drei Personen oder Hypostasen begreifen. Wird Gottes Name ohne nähere Bestimmung gebraucht, so ist nicht weniger der Sohn und der Geist als der Vater gemeint. Tritt neben den Vater der Sohn, so ist das Verhältnis (relatio) zu beachten, und so unterscheiden wir zwischen den Personen. Nun aber stehen die Eigenheiten (proprietates) der Personen untereinander in einer gewissen Ordnung, so daß der Vater Anfang und Ursprung ist. Wo also der Vater und der Sohn oder auch der Geist zusammen genannt werden, da wird der Name „Gott“ in besonderer Weise dem Vater beigelegt.“ (20)
Kevin J. Bidwell, der in seiner Doktorarbeit ein Proposal von M. Wolf kritisch untersucht hat, fasst die Kennzeichen so zusammen (Vorlesung):
- Ein Wesen, drei Personen
- Eine Essenz (homoousios)
- Drei Personen (Hyposthaen)
- Gegenseitige Innewohnung
- Ordnung unter den Personen (monarchia, autotheios, taxis)
- Gemeinschaft unter den Personen
- Gott ist erkennbar und doch nicht erkennbar