Interview: Der Mensch – ein Tier, das gehackt werden kann?

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Im Feuilleton der NZZ vom 23.07.2019 las ich ein Interview mit dem weltbekannten israelischen Historiker Yuval Noah Harari, dessen «Kurze Geschichte der Menschheit» (dt. Übersetzung 2015) millionenfach verkauft worden ist.

Von Interesse ist insbesondere seine Perspektive auf den Menschen.

Der Mensch ist heute ein «hackable animal» – ein Tier, das gehackt werden kann. Bisher gab es grossen Aufruhr und viele Diskussionen um gehackte Computer, Bankkonten, Online-Profile, Smartphones oder staatliche Systeme. … Einen Menschen zu hacken, heisst: ihn besser zu verstehen und zu durchschauen, als er selber das vermag. Früher oder später werden verschiedene Instanzen, seien es nun Unternehmen oder Staaten, die Gefühle, Wünsche, Ängste und Gedanken der Menschen mithilfe von Algorithmen ermitteln können. Die Folgen liegen auf der Hand: Wer die inneren Regungen der Menschen kennt, kann ihre Handlungen antizipieren. Und ihre Begehren natürlich auch manipulieren.

Dies beschreibt er dann beispielhaft anhand seiner eigenen sexuellen Orientierung.

Als ich fünfzehn war, habe ich selber nicht realisiert, dass ich schwul bin. Zwar fühlte ich mich von Jungen angezogen, aber es gab eine Blockade in meinem Kopf, ich hatte kein Bewusstsein für meine «andere» sexuelle Orientierung. Heute können Firmen mit geeigneten Technologien die Präferenzen der Menschen ohne weiteres ermitteln – man braucht dafür nur ihre Augenbewegungen aufzuzeichnen.

Offensichtlich unterscheidet Harari zwischen seiner professionellen Erklärung und seinem persönlichen Glauben. Öffentliche und private Welt sind getrennt.

Was ich selber glaube, ist nicht von Bedeutung. Ich stütze mich auf die Wissenschaft und gebe das zurzeit dominante Paradigma wieder. Und das lautet in den Life-Sciences ganz klar so: Nicht nur der Mensch, sondern alle Organismen sind im Prinzip Algorithmen, die Informationen verarbeiten. Da kommt also Information rein, das Gehirn – unser eingebauter Algorithmus – verarbeitet sie weiter, und daraus resultieren dann Bewegungen und Entscheidungen, aber eben auch Emotionen, Empfindungen und Persönlichkeitsmerkmale.

Diese naturalistische Sicht, konsistent durchgedacht, verunmöglicht jede ethische Orientierung.

Alles, bis hin zum sexuellen Begehren, ist nichts als verarbeitete Information: Das Auge oder die Nase nimmt etwas wahr, das Hirn erkennt die Muster der eingespeisten Daten und gibt daraufhin seine Befehle aus. Ob wir uns zu jemandem hingezogen fühlen oder nicht, ist also eine reine Frage der Mustererkennung.

Diese Sichtweise – selten genug in den Medien – ist auch dem Journalisten bewusst.

In dieser stark auf neuronale Prozesse fokussierten Perspektive bleibt vieles ausgeklammert: Was ist Bewusstsein und Geist? Wie beeinflusst der lebende Körper den menschlichen «Computer»? Meines Wissens sind diese Fragen bis heute nicht beantwortet. Könnte die vermeintlich so wissenschaftliche Algorithmentheorie nicht eine jener Fiktionen sein, mit denen sich der Mensch so gerne die Welt erklärt?

Doch, das ist durchaus möglich! Ich bin selber skeptisch gegenüber Teilen dieser Thesen, und zwar eben weil bis anhin gute Theorien zum Bewusstsein und zur Erklärung von subjektiver Erfahrung fehlen.

Das von C. S. Lewis 1947 herausgegebene und 1960 revidierte Buch “Wunder” empfehle ich wärmstens zur Lektüre (hier geht es zu zentralen Argumenten).