Zitat der Woche: Heinrich Bachofner, Bildungspionier aus dem 19. Jahrhundert

Bereits im 19. Jahrhundert gab es in meinem Wohnkanton Zürich einen Schulkampf! Heinrich Bachofner (1828-1897), Pädagoge und Gründer des evangelischen Lehrerseminars Unterstrass, war ein hart arbeitender Lehrer, überaus gebildet und auch theologisch versiert. Er kannte beispielsweise Calvins Institutio (meine Rezension) sehr gut. Ich zitiere aus Konrad Zellers Biographie “Heinrich Bachofner” (1969):

Die zwölf Jahre <1850 – 1862>, die er <als Lehrer> in Fehraltorf nun verbrachte, waren für ihn in jeder Beziehung von allergrößter Bedeutung. Dort, wie er von sich selber sagt, wuchs er aus einer «fatalen», schwärmerischen, in Gefühlen lebenden Frömmigkeit, hauptsächlich durch den Umgang mit dem gelehrten, innig frommen Ortspfarrer H. Breitinger (1801 – 1878), in einen nüchternen, geistig gesunden, fröhlichen Glauben hinein. Er lernte bei Breitinger Latein. Die beiden lasen mit einander nicht nur die Annalen des Tacitus, sondern auch Calvins Institutio, und es öffneten sich ihm die Augen für die Herrlichkeit der Natur und der Wissenschaft, die er im frommen Übereifer eine Zeitlang fast verachtet hatte. Jetzt wurde er durch strenge, methodische Arbeit zu einem ausgezeichneten Lehrer. Er schrieb eifrig Präparationen, dachte, wo er ging und stand, darüber nach, wie er dieses und jenes besser machen könnte, wandte täglich zwei bis drei Stunden für die Korrektur schriftlicher Arbeiten auf und nahm sich mit großer Treue der schwachen Schüler an. Er hat damals unsinnig gearbeitet. «Früh um vier begann ich meine Präparationen, rannte dann in die Schule und trieb meinen Unterricht mit einem Eifer, bei dem Hören und Sehen, Himmel und Erde mir schwanden. Als ich das Schulehalten einigermaßen los hatte, suchte ich die Arbeit zu vertiefen und studierte die pädagogischen Schriften aus der Schule Herbarts.» Der Kraftaufwand war nicht umsonst. Die zunächst mißtrauischen Dorfgenossen anerkannten seine Arbeit dankbar, um so mehr, als er nicht nur ein ausgezeichneter Lehrer, sondern auch ein verständnisvoller Erzieher war, an dem seine Schüler mit großer Liebe hingen. Über das alles hinaus erwarb er sich in unermüdlichem Privatstudium eine nicht alltägliche Bildung auf dem Gebiete der Geschichte, Philosophie und Literatur und erweiterte seine Bibelkenntnis durch tägliche, sorgfältige Lektüre der Heiligen Schrift.

Die Pflege des geistlichen Lebens und der Kampf gegen die Ausbreitung der materialistischen Weltsicht liefen parallel. Bachofner in einer Rede 1894 im Rückblick:

«Wenn … die Naturgesetze richtig erkannt und angewendet werden (wie es der philosophische Materialismus tut), so ist das menschliche Leben nichts anderes als ein Erzeugnis der Naturkräfte; es entsteht und vergeht wie die Blume des Feldes. Es hat nur den Zweck, sich zu entwickeln und zu schmücken, sich zu erhalten und den Sonnenschein der Welt eine Zeitlang zu genießen. Den höchsten Grad der Vollkommenheit aber erreicht es in einem Überschuß von Genüssen und Freuden. Was man früher vom Glauben erwartete, wird jetzt die Naturwissenschaft bringen. Die Verkehrsmittel werden zur höchsten Vollkommenheit gebracht. Der Handel schafft alle Güter der Erde zur Stelle. Die Gewerbe erzeugen immer Schöneres, Bequemeres und Gesünderes; für Nahrung, Kleidung und Wohnung wird ausgiebig gesorgt. Die Maler, Bildhauer und Baumeister sorgen für Schmuck; Musik und Theater bieten geistige Genüsse, und Krankheit und Sterblichkeit werden aufs geringste Maß beschränkt. Das allgemeine Mittel aber, das zu erlangen, ist die Industrie. Der Staat endlich sorgt dafür, daß der Reichtum und die Genüsse der Welt allen Volksklassen gleichmäßig zukommen.»

… Sehr wichtig ist die gemeinsame Schulung der gesamten Jugend. Privatschulen sind nicht mehr zeitgemäß; die Kinder aller Stände und Volksklassen müssen nicht nur bis zum 12., sondern bis zum 16. Jahre die gleiche Schule besuchen. Das ist die Einheitsschule der Zukunft, welche endlich auch den Klassenhaß und den konfessionellen Hader aus der Welt schaffen wird.»