Walter Lüthi (1901-1982), Berner Münster Pfarrer zwischen 1946 und 1968, in einer Predigt über das Sabbatgebot (aus dem Buch “Die Zehn Gebote Gottes”, S. 38ff):
a) Hervorgehobener Tag
Alle anderen Tage der Woche sind in der Bibel namenlos, werden jeweilen schlicht nummeriert von eins bis sechs. Den siebenten aber hat Gott apart genommen, ihn hervorgehoben und den anderen gegen-übergestellt.
b) Gott verschnauft
Angewendet auf Gott selber steht nun aber dies Wort ein einziges Mal: «Er (der Sabbat) ist einewiges Zeichen zwischen mir und den Kindern Israel. Denn in sechs Tagen machte der Herr Himmel und Erde; und am siebenten Tag ruhete er und –’naphasch’ –atmete auf» (2.Mose 31,17). Gott atmet auf, Gott verschnauft! Herzbewegende Herablassung unseres hohen Gottes.
c) Abschieben oder das Weltgewicht tragen
… es gibt Leute genug, die das meisterhaft, die das nur zu gut verstehen, Lasten auf andere abzuwälzen; denn getragen werden müssen Lasten ja dann jeweilen doch irgendwie und von irgendwem. Ein Mass von Lasten will in dieser Welt nun einmal getragen sein. Wer sie abwälzt, pflegt es darum auf Kosten anderer zu tun. Das ist eine üble Sache. … es ist die schwüle Stickluft der Tatsache, dass der Mensch einfach ein Sünder ist, die wochentags über unseren Arbeitsstätten brütet, die den Menschen das Atmen verschlägt. …
Diese Last, die Christus auf sich nimmt, dieses, wie es in einem Passionslied heisst, «Weltgewichte» wird so schwer sein, dass er darunter zusammenbricht. Sogar daran sterben wird er.
d) Ewiger Sonntag
Nach jenem einen, stellvertretenden und blutigen Werktag Gottes aber ist Christus auferstanden in Herrlichkeit. Damit hat er sein Tagewerk jetzt und hier vollbracht. Für ihn hat nun ein Feiertag begonnen, der nie mehr aufhört, und von dem ein Glanz schon jetzt und hier von «drüben» her auf seine Gemeinde fällt, das ist der Ostertag.
e) Tag des gemeinsamen Aufatmens
Gott hat seinem Geschöpf durch Christus einen Sonntag bereitet als einen Tag des gemeinsamen Aufatmens inmitten der Enge und Stickluft dieser Todeswelt. … Ein Sonntag fernab von der feiernden Gemeinde ist nicht erstrebenswert, ist lediglich denkbar als schmerzlicher Notfall.
f) Der Unterschied zwischen Ruhe und Nichtstun
Es besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen Sonntagsruhe und Faulenzen. Um unendlich viel mehr geht es da als nur um Ruhe und Arbeit, Arbeit und Ruhe. Blosses Nichtstun wäre nicht ein grosses, sondern ein kleines, unter Umständen sogar ein sehr kleines Aufatmen. …
Wenn einer aber umgekehrt den ganzen Sonntag keinen Finger rührte, am Seestrand oder auf dem Ruhebett sich herum langweilte, oder wenn einer beim Teetisch leere, beim Biertisch lose Reden führte, dann wäre das trotz aller Untätigkeit ein sonntagsloser Tag gewesen.