Zitat der Woche: Die Unabdingbarkeit der Ethik

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Eindrücklicher Einstieg von Emil Brunner in sein wichtiges Werk “Das Gebot und die Ordnungen”:

Die Frage „Was sollen wir tun?“ , die menschliche Frage, ist der Eingang zum christlichen Glauben; an ihr vorbei kommt keiner in das Heiligtum. Sie ist aber auch der Ausgang aus dem Heiligtum ins Leben zurück; aber sie hat, trotzdem sie denselben Wortlaut hat, einen neuen Sinn bekommen. Im Heiligtum des Glaubens geschehen keine magischen Verwandlungen; es ist derselbe Mensch, der durch jene Türe hinein- und hinausgeht, der irrende, fehlende, gebrechliche Mensch. Aber im Heiligtum ist etwas an ihm geschehen, das ihn, wenn auch heimlich und den Augen der Welt nur undeutlich erkennbar, zu einem anderen gemacht, das ihm die Augen, und das Herz aufgetan hat für eine Wirklichkeit, die er vorher nicht kannte: die Wirklichkeit des lebendigen Gottes. Als der von ihm berührte, getroffene, gerichtete und begnadigte, als der, der nicht mehr anderswo als „dort“ den Sinn seines Lebens und die Antwort auf jene Frage suchen kann, steht er, der schwache Mensch, nunmehr im Leben unter den anderen; aber weil er „von dorther“ kommt, hat er jetzt einen anderen „Stand“ in dieser Welt, und dieser „Stand-dort“ ist es, was ihn zum Christen macht. Was das für die Beantwortung jener Frage zu bedeuten habe, das ist der Gegenstand einer christlichen Ethik.

Aus dem Vorwort

In seinem ersten Kapitel räumt er mit einem wichtigen Missverständnis auf: Dass Nichtstun keine Form ethischen Handelns sei. Ich füge hinzu: Sie ist oft sogar eine starke Form des Handelns!

Tatsächlich hat nun jeder Mensch, ob er es Wort haben will oder nicht, seine «Ethik», eine wie immer gebrochene Tendenz zur Stetigkeit und Ordnung in seinem Handeln und in seiner praktischen Beziehung zu den Mitmenschen.  Auch wer sich treiben liesse, um nicht entscheiden zu müssen, steht unter dieser Notwendigkeit, indem er sich eben treiben lässt. … Menschsein heisst, dieser Notwendigkeit praktischer Entscheidung nicht entrinnen zu können. (4)

Dies bezieht Brunner zu Recht auf das gesamte und nicht nur auf das tätige Leben:

Man kann, erstens nicht die Ruhe als die eine Hälfte dem tätigen Leben als der anderen gegenüberstellen und etwa in einem Nirwana des Nichthandelns Zuflucht vor der ethischen Frage suchen. Denn auch dieses Fliehen ist ein Handeln, und auch das Buhen ist, als menschliches Buhen, ein Handeln, das mindestens durch Entscheidung eingeleitet, meist auch von mehr oder weniger beständiger Entscheidung begleitet ist. (5)