Francis Schaeffer hebt die zentrale Bedeutung des Todes für den Christen im zweiten Kapitel seines Klassikers «Geistliches Leben» hervor. Dies geschieht zuerst im Kontrast zum Zeitgeist:
Wir leben inmitten einer Welt, die sich nichts versagt. Wenn wir aber von einer Mentalität umgeben sind, in der alles an der Größe und am Erfolg gemessen wird, und dann plötzlich gesagt bekommen, zum christlichen Leben gehöre dieser starke negative Aspekt des Verzichts und der Selbstverleugnung, dann muß uns das hart erscheinen, sonst haben wir es noch nicht in seiner Tragweite erfaßt. (25)
Anhand von Lukas 9 erklärt Schaeffer dann, dass das Kreuz (und nicht die Menschwerdung) die Mitte der christlichen Botschaft darstellt.
Wir stellen fest, daß der Tod Christi das Zentrum der christlichen Verkündigung ist, nicht das Leben Jesu oder seine Wunder. Die modernistischen Theologen sind der Auffassung, das Grundproblem der menschlichen Existenz sei metaphysischer Natur, und meinen deshalb, die Lösung liege im Konzept einer Inkarnation. … die biblische Antwort setzt nicht an dieser Stelle ein. Die Geburt Jesu ist zwar die notwendige Voraussetzung, um zu der Antwort zu gelangen, aber die Antwort selbst ist erst der Tod des Herrn Jesus Christus. … Der Erlösertod Christi ist also das Zentrum der christlichen Botschaft.
Das bedeutet Ablehnung und Entsagung der Jünger Jesu.
Das Kreuz des Christen ist voll von Splittern, da wir in diesem Leben von einem Geist umgeben sind, der dem Reich Gottes fremd ist. … Aber letzten Endes ist es eine Ablehnung durch die Welt selbst, und diese Ablehnung ist die notwendige Voraussetzung, um etwas von dem Auferstehungsleben zu erfahren.
Keinesfalls ist dies jedoch von einer Lebensverleugnung gekennzeichnet – im Gegenteil!
‘Mit Christus bin ich gekreuzigt …’ Dann kommt ein Einschnitt, den ich in meiner Bibel mit zwei kleinen Strichen markiert habe, damit ich ihn selbst beim schnellen Lesen nicht übersehe: ‘Mit Christus bin ich gekreuzigt. (Einschnitt) Ich lebe, doch nicht mehr als Ich, sondern Christus lebt in mir; soweit ich aber jetzt noch im Fleische lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich ausgeliefert hat.’ Die negative Aussage mündet also in eine positive ein, und wer im Negativen steckenbleibt, der übersieht die eigentliche Stoßrichtung. Das wahre christliche Leben wird weder in der Praxis noch gedanklich von grundlegenden Negativen bestimmt; nicht von Lebensverleugnung der Art, zu der wir in Verzweiflung oder anderen psychologischen Problemen neigen. Das Nein des Christen ist kein nihilistisches Nein; es gibt eine wahrhaft biblische Abgrenzung, aber das christliche Leben erschöpft sich nicht in dieser Abgrenzung. Es gibt in der Gegenwart wie in der Zukunft ein wahres Leben.