Predigt: Oh Gott, lass mich endlich in Ruhe!

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Welche Bandbreite die biblischen Texte abdecken, wurde mir bei der Predigt von Kurt Vetterli über Hiob 7 bewusst. Ich empfehle diesen Text – ein Gebet der Verzweiflung – ruhig zwei, drei Male sich laut vorzulesen. Dabei ist vor Augen zu halten: Hiob erleidet unverschuldet grosses Unglück. Ihm wird die ganze Habe entrissen, sämtliche Kinder kommen ums Leben und er bekommt eine schreckliche Hautkrankheit, die ihn am ganzen Körper juckt. Schliesslich rät ihm seine Frau dazu sich von Gott abzuwenden.

Ich zitiere einige Auszüge aus Vetterlis Predigt:

Wir hätten es lieber, wenn man von allen Gläubigen sagten könnte: ‘Egal, wie gross seine Not ist, ein Christ bleibt stark und gibt die Hoffnung nicht auf’ – so wie Hiob am Anfang. Aber die Realität ist anders. Auch ein tief gläubiger Christ wie Hiob kann zuweilen so in ein Loch fallen, so dass er keine Hoffnung mehr sieht. Die (scheinbare) Ursache dafür kann ein so grosses Elend sein, wie es über Hiob hereinbrach. Das muss aber nicht sein; es können auch relativ kleine Dinge sein, die jemanden in hoffnungslose Verzweiflung stürzen können. … (Es wäre verkehrt zu sagen) ‘Wenn Hiob jetzt nur richtig glauben würde, dann würde er auch besser damit fertig werden.’ So etwas dürfen wir nicht tun! Dennoch sollten wir nicht alles gutheissen, was Hiob in seiner Verzweiflung sagt und offenbar denkt.

Hiobs Perspektive hat sich seit der Ankunft seiner Freunde deutlich verändert.

(Hiob hat unter dem Druck begonnen), in seiner ungeistlichen Weise auf sein (von Gott verordnetes) Leid zu reagieren. Er hat angefangen, nur noch eine Seite der Realität zu sehen und die andere auszublenden. Wir müssen sagen, dass er aufgehört hat, wichtige geistliche Wahrheiten auf sein aktuelles Leben anzuwenden.

Bemerkenswert: Hiob sieht nur noch eine Seite der Realität.

Er sieht nur die Wirklichkeit seines Leidens, sieht nicht dahinter. Er schliesst aus dem, was er erlebt, direkt auf die Realität. Es ist eigentlich pure Erfahrungstheologie, die Hiob hier anwendet. Viele tun das, gerade wenn sie Schweres erleben.

Glauben bedeutet jedoch etwas anderes.

Glauben heisst: das als Wahrheit annehmen, was Gott in seinem Wort über das Leben sagt. Wenn meine Erfahrungen und Gefühle widersprechen, dann sagen wir: ‘was sie sagen, ist nicht die Wahrheit, die ich brauche. Was Gottes Wort sagt, das zählt.’

Hiob äussert gar Misstrauen an Gott.

Er sagt dem Herrn: ‘Du hast aus mir eine Zielscheibe gemacht (Vers 20)’ – das heisst eigentlich soviel wie: ‘Du machst mich zu deinem Versuchskaninchen.’ ‘Du behandelst mich wie einen gefährlichen Gegner, den man bewachen muss, damit er keinen Schaden anrichtet’ … ‘Du plagst mich und nimmst mir den Mut durch Albträume.’ ‘Du lässt nicht einmal so lange von mir ab, wie man braucht um zu schlucken.’ ‘Siehst du nicht, dass du mich total überforderst mit deinen Plagen? Siehst du nicht, dass du mich kaputt machst, anstatt Gutes zu bewirken? Lass mich endlich in Ruhe!

Vetterli zur Anwendung in heutige Situationen:

Was wäre der Preis, wenn Gott von uns abliesse? Dass er damit zulässt, dass die Herrschaft der Sünde in unserem Leben Macht ausüben kann. Dass wir nicht in das Ebenbild seines Sohnes verwandelt würden, sondern das durch die Sünde verunstaltete Ebenbild Adams behalten würden. … Darum Hiob, und jeder, der da leidet: Heisse Gottes liebendes Werk der Veränderung an dir willkommen. Er weiss wie der kluge Chirurg, wo er das Skalpell ansetzen muss, damit das Krebsgeschwür der Sünde weggeschnitten werden kann.