Standpunkt: Schamorientierte Evangeliumsverkündigung und die geistliche Krise der westlichen Kirche

Ron Kubsch hat einen Kommentar von Andreas Boppart, Leiter Campus für Christus im deutschsprachigen Raum, aufgenommen und hinterfragt:

So frage ich mich etwa (auf der rein empirisch-pragmatischen Ebene), ob die Verkündigung heute tatsächlich so sehr auf die Wahrheits- und Schuldfrage abzielt, wie Boppart das voraussetzt? Hören wir denn das Wort von dem heiligen Gott und der Vergebung der Sünden tatsächlich noch oft? Anders gefragt: Sind die Kirchen voll, in denen ein „ganzheitliches Evangelium“, das die Schuldfrage in den Hintergrund schiebt, angeboten wird? Auf den Kanzeln und christlichen Medien-Kanälen wimmelt es von „Du bist wertvoll“- und „Du bist so angekommen, wie Du bist“-Botschaften. Trotzdem stecken die Kirchen in einer geistlichen Krise. Es scheint so, also ob die Versicherung, „du bis ok und gehörst dazu“, die Sehnsucht der Menschen nicht stillen kann. Offensichtlich trägt diese Botschaft nicht durchs Leben. Und ich frage mich auch, ob es stimmt, dass wir in einem schamorientierten Europa leben? Vielleicht leidet Europa ja in einem gewissen Sinn mehr an seiner Schamlosigkeit als an der Schamsättigung?

Umgekehrt meint er in den Kommentaren:

Die Stärke der Evangeliumsverkündigung liegt nicht darin, dass wir Fragen beantworten, die die Menschen stellen (so wichtig das ist), sie liegt darin, dass die Botschaft vom Kreuz unser Herz aufdeckt. Gott kennt uns besser, als wir selbst uns kennen. Das Wort vom Kreuz deckt auf, dass unsere Herzen Götzenfabriken sind. Wir stehen so unter dem Sog der Sünde, dass wir Gott denkerisch nicht ehren und dienen wollen. Wir haben uns so tief in die Götzenanbetung verstrickt, dass Gott selbst kommen muss, um unsere falschen Denkvoraussetzungen aufzubrechen und uns aus unserer Sündennot zu retten. Gott sucht uns, er kommt zu uns in seinem Sohn, um uns einen Weg aus unserer tragischen Verstricktheit zu eröffnen.

Die eigentliche Not von uns Menschen ist es, dass wir stolz an uns selbst festhalten. Wir lieben das Geschaffene mehr als den Schöpfer. Und sollten wir unseren Unglauben durchschauen, wollen wir mit eigenen Ressourcen die Probleme lösen. Wir wählen den Weg der Selbstrechtfertigung und möchten Gott beweisen, dass es doch nicht so schlimm um uns bestellt ist.