Standpunkt: Atomisierte Ethik, abgelöst von der Weisheit der Vergangenheit

In seiner Vorlesungsserie “Ethics: A History of Moral Thought” stellt Peter Kreeft zu Recht fest, dass wir uns heute in der Kasuistik (Situationen/Fälle) verloren haben. Es fehlt uns die Besinnung auf die Fundamente der Ethik.

Beim Studium der Ethik gibt es einen Prozess, den man als “Arguing Forward” (Vorwärts argumentieren) bezeichnen kann. Diese Form des Denkens beinhaltet die Anwendung von Prinzipien auf Situationen. Die Der Fachbegriff dafür lautet Kasuistik (engl. casuistry). Wir können darunter die Lösung spezifischer Fälle aufgrund des Gewissens, der Pflicht oder bestimmten Verhaltens durch die Anwendung ethischer Grundsätze vorstellen. Fragen, bei denen man “vorwärts” argumentieren könnte, sind solche wie: Sind bestimmte Kriege gerecht? Ist Abtreibung gerecht? etc. Auf der anderen Seite (gibt es das) “Rückwärts argumentieren”. Bei dieser Form des Denkens geht es darum, die Grundlagen unserer Prinzipien zu erforschen. … Der Prozess des “Vorwärts-Argumentierens” erfordert nicht das Studium der Geschichte des ethischen Denkens, während “Rückwärts Argumentieren” dies erfordert. (Course Guide, Lektion 1)

Der Blick zurück lohnt sich. Dabei fällt auf, dass sich wesentliche Verschiebungen ergeben haben:

Für die Alten rangierte die Ethik an erster Stelle. Sie sahen Ethik als die wichtigste Komponente für ein gutes Leben an. Tugend wurde von ihnen als wesentlich erachtet, während sie für den modernen Menschen oft zum Nebengedanken geworden ist. Für die Menschen des Altertums war Moral kein Mittel zum Zweck, sondern der Zweck selbst. … In der ” antiken Weisheit ” steckt tiefer Respekt vor Tradition und Autorität. Für die Alten war die Idee der Konformität mit der Tradition keine negative Idee. In den letzten 500 Jahren jedoch hat die westliche Kultur Konformität zu einem sehr unpopulären Wort werden lassen. Überall haben sich neue Moralvorstellungen herausgebildet. Der Mensch glaubt heute oft daran, seine eigenen Werte zu schaffen. Unterschiedliche Kulturen schaffen unterschiedliche Werte. Die Alten waren keine Kulturrelativisten. Sie dachten, man könne ebenso wenig eine neue Moral schaffen oder erfinden wie ein neues Universum oder eine neue Farbe. Die Alten glaubten an Gehorsam oder eine Übereinstimmung mit der Autorität nicht im Sinne von “Macht”, sondern von “Güte”. Sie glaubten, dass Recht Macht macht, nicht dass Macht Recht erst schafft. (Course Guide, Lektion 2)

Das Hörbuch ist zu empfehlen, auch wenn Kreeft in einigen Fragen der thomistischen Ethik folgt. Dies zeigt sich z. B. in der Frage, wie Ethik und Religion zusammenhängen.