Ein neuer Moralismus bricht sich in atemberaubender Geschwindigkeit Bahn. Ich spüre seinen «Luftzug» jeden Tag. Nun schulde ich natürlich eine Definition für Moralismus:
- Ein von einem Einzelnen oder einer gesellschaftlichen Gruppe festgelegtes Testkriterium (oder eine Kriterienbatterie),
- anhand derer bevorzugt andere und selektiv die eigene Leistung inkl. deren Erfüllung/Befriedigung gemessen wird.
- Darunter fallen selbst genehmigte Ausnahmen der aufgestellten Regeln.
Ich nenne einige Beispiele.
- Nehmen wir als erstes Beispiel den «ökologischen Fussabdruck». Der theoretisch errechnete Pro-Kopf-Verbrauch von CO2 und das Vermeiden «unvernünftiger Fliegerei» gelten als messbare Grösse für wahrgenommene Verantwortung für die eigene und zukünftige Generationen.
- Ein zweiter beliebter Bereich ist die Ernährung (z. B. Slow Food vs. Fast Food) und der Einkauf von lokalen Produkten.
- Drittens gehören bestimmte öffentliche Äusserungen über benachteiligte Gruppen wie z. B. Flüchtlinge. (Interessanterweise fällt das tatsächlich geleistete Engagement im Direktkontakt selten darunter.)
- Im Coronajahr 2020 kam ein buntes Set von Verhaltensregeln (liegt drin/nicht drin) dazu.
Wie kann diese Thematik, die enorm an Boden gewonnen hat, aus christlicher Weltsicht beurteilt werden?
- Sowohl der schonungsvolle Umgang mit Ressourcen der Schöpfung, der Umgang mit Flüchtlingen wie auch das Verhalten gegenüber der Obrigkeit wird in AT und NT zum Thema gemacht.
- Die 68er und Nachfolgegenerationen haben zwar immer wieder auf Ausbeutung und Ungerechtigkeit hingewiesen. Gleichzeitig steht die eigene Lebensweise in andauerndem Widerspruch dazu. Die gelebte Maxime lautet nach wie vor: Immer mehr haben und nicht gestört werden!
- Das wichtigste Kriterium ist die eigene Stimmigkeit im Moment. Es geht zuerst nicht um einen objektiven Massstab, sondern um die subjektive Befriedigung.
- Selbst genehmigte «Ausnahmen» sind deshalb legitim. Sie werden nicht thematisiert wegen der öffentlichen Beschämung.
- Der nicht erlöste Mensch (und leider oft auch der nicht geheiligte) tendiert dazu sich selbst erlösen zu wollen.
- Der sich im Heiligungsprozess befindende erlöste Mensch setzt sich persönlich mit aktuellen Fragen anhand der Bibel auseinander. Francis Schaeffer sprach von ehrlichen Fragen und ehrlichen Antworten.
- Vorauseilender Gehorsam wie auch Verachtung sind keine Zeichen von geistlicher Reife, sondern von Vermeidung/Komfortzone.