Input: Gegenkulturelle Lebensgemeinschaften

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In einer Art Folgeband zu «Die Benedikt Option: Eine Strategie für Christen in einer nachchristlichen Gesellschaft»[1] (2018) brachte Rod Dreher «Live not by Lies: A Manual for Christian Dissidents» (Nicht mit der Lüge leben: Ein Manual für christliche Dissidenten, 2020) heraus. Ich habe das Buch intensiv studiert und werde meine Erkenntnisse in einem Artikel gebündelt zusammenfassen.

Das Buch ist dem kroatischen Pater Kolakovic (1906-1990) gewidmet, der 1943 nach Prag floh und im Untergrund angesichts der nahenden Gefahr der totalitären kommunistischen Herrschaft die katholische Kirche der Slowakei im Untergrund organisierte (siehe dieser Buchhinweis sowie dieser kurze biografische Abriss). Dreher beschreibt sein Wirken so:

Der Flüchtlingspriester lehrte die jungen slowakischen Gläubigen, dass jeder Mensch vor Gott für sein Handeln verantwortlich sein müsse. Freiheit ist Verantwortung, betonte er; sie ist ein Mittel, um in der Wahrheit zu leben. Das Motto der Jocisten (einer 1924 gegründeten christlichen Gruppe) wurde zum Motto für das, was Pater Kolaković seine “Familie” nannte: “Sehen. Urteilen. Handeln.” Sehen bedeutete, wach zu sein für die Realitäten um einen herum. Urteilen war eine Aufforderung, nüchtern die Bedeutung dieser Realitäten im Lichte dessen zu unterscheiden, was man als wahr erkennt, besonders durch die Lehren des christlichen Glaubens. Nachdem sie zu einem Schluss gekommen sind, sollen sie handeln, um dem Bösen zu widerstehen.

… Die Familiengruppen kamen zunächst zum Bibelstudium und zum Gebet zusammen, hörten sich aber bald auch Vorträge von Pater Kolaković über Philosophie, Soziologie und intellektuelle Themen an. Pater Kolaković bildete seine jungen Anhänger auch darin aus, wie man im Geheimen arbeitet und den Verhören standhält, die, wie er sagte, sicher kommen würden. Die Familie dehnte ihre kleinen Gruppen schnell über das ganze Land aus. “Am Ende des Schuljahres 1944”, sagte Vaško, “wäre es schwierig gewesen, eine Fakultät oder eine weiterführende Schule in Bratislava oder in größeren Städten zu finden, wo unsere Kreise nicht tätig waren.” Im Jahr 1946 deportierten die tschechischen Behörden den aktivistischen Priester. Zwei Jahre später ergriffen die Kommunisten die totale Macht, genau wie Pater Kolaković es vorhergesagt hatte. Innerhalb weniger Jahre wurden fast alle Mitglieder der Familie inhaftiert und die tschechoslowakische institutionelle Kirche brutal zur Unterwerfung gezwungen. Aber als die Familienmitglieder in den 1960er Jahren aus dem Gefängnis kamen, begannen sie zu tun, was ihr geistlicher Vater sie gelehrt hatte.

Dreher berichtet in diesem Artikel von einem Netzfund, wo ein ehemaliger Student Kolakovics darlegt, welch inhaltlicher Reichtum, herunter gebrochen auf die Tagesstruktur, sich durch dessen Vorbild in sein Leben “ergoss”. Der slowakische Jurist Jan Canogursky beschreibt hier das Resultat des pionierhaften Wirkens.


[1] Zu diesem Buch habe ich den Artikel «In der Welt – nicht von der Welt: Denkfutter zu einem Leben einer christlichen (Gegen)kultur» verfasst, erschienen in Bibel & Gemeinde 4/2018.