Hanniel hirnt (297): Die Bundestheologie – ein Museumsstück?

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Ich reagiere auf eine Leserfrage, ob denn die Bundestheologie ein verstaubtes Stück eines theologischen Museums darstelle. Die folgenden Überlegungen (19 Minuten) sind nicht als umfassende Verteidigung, sondern als Gedankenanstösse gedacht.

  1. Wir brauchen eine Sicht auf die gesamte Schrift.

Der dreieinige Gott, der sich durch die gesamte Bibel offenbart, ist in seinem Wesen unveränderlich: Der Gott Adams ist der Gott von Paulus wie auch von uns Christen heute.

Dieser Gott offenbart sich fortlaufend und zunehmend deutlich. Das heisst, es gibt eine “Storyline”, d. h. eine Erzähllinie, die sich durch die gesamte Schrift zieht.

Diese inhaltliche Achse zieht sich durch den Alten und den Neuen Bund in der Beziehung von Verheissung und Erfüllung. Grundsätzlich gilt es die Fortsetzung (Kontinuität) zu erkennen. Dies tut den einzelnen “Administrationen” zu verschiedene Zeiten (Diskontinuität) keinen Abbruch.

Wir brauchen also die “Weitwinkel”-Perspektive zur Wahrnehmung der gesamten biblischen Offenbarung.

2. Der Bundesbegriff ist hermeneutischer Schlüssel.

Im Begriff “Bund” widerspiegelt sich die Art der Beziehungsgestaltung des Schöpfers zu seinem Geschöpf. Er taucht in allen Administrationen vom ersten Menschen bis zum Neuen Bund, der durch den Tod von Jesus erfüllt wurde, wieder auf.

Der Gedanke, dass Gott bei seinem Volk wohnen will, bringt die Art dieser Beziehung zum Ausdruck. Der Gedanke ist bereits im Tempelgarten Eden präsent und äussert sich über den Gottesdienst (Stiftshütte, Tempel) hin zu Jesus, der sich selbst als Tempel beschreibt. Paulus nennt den einzelnen Gläubigen wie auch die Gemeinde seinen Tempel. Und im neuen Jerusalem auf den letzten Seiten der Bibel taucht der von den Schriftpropheten verheissene Zustand, dass Gott nun bei seinem Volk wohnt, wieder auf.

Genesis 2,16+17 ist keine willkürliche gewählte Stelle, sondern die erste Ansprache Gottes an den Menschen. Als sein Stellvertreter wird erhält er den Auftrag, den Garten zu entwickeln und zu bewahren. Gott gibt dem Menschen sämtliche Bäume zur Speise – mit einer einzigen Ausnahme. Damit fordert er den Gehorsam gegenüber seinem Geschöpf ein.

Die Elemente des Bundes tauchen auch im Alten Orient wieder auf. Die hektischen Vasallenverträge weisen grosse Ähnlichkeiten zu den biblischen Bünden – z. B. dem am Sinai mit dem Volk Israel – auf. Natürlich sind die biblischen Bünde das Original, die anderen Abbilder.

3. Erst ein ausformuliertes und mit Belegstellen versehenes System lässt sich überhaupt überprüfen.

Es gibt einige alternative Systeme wie z. B. das Denken in einzelnen Heilsperioden (Dispensationen). Dieses betont ungleich stärker die Diskontinuität von Gottes Heilshandeln. Noch häufiger treffe ich jedoch ein eigenes implizites System an. Dieses ist in evangelikalen Kreisen oft mit einem schroffen Dualismus zwischen AT und NT gekennzeichnet. Doch weder der Gedanken äusserlich/innerlich noch das Cliché vom Gott des Zorns und dem Gott der Liebe lassen sich biblischen halten.

Ich behaupte deshalb: Wer sich in den Nebel eines eigenen Systems zurückzieht und von dort aus ein anderes kritisiert, sollte sich zuerst über sein eigenes – zumindest rudimentär – Rechenschaft abgeben. Welches sind die Grundpfeiler jenes Systems?

Ich empfehle den Aufsatz von J. I. Packer “Introduction: On Covenant Theology” und die Ausführungen des Westminster Katechismus (Art. 7) zum einführenden Studium. Crossway hat 2020 ein Kompendium “Covenant Theology” herausgegeben.