Ich lese das Buch «The Soul in Cyberspace» von Douglas Groothuis aus dem Jahr 1997. Wie treffend hat er beschrieben, was sich in unserer Seele durch die neue Technologie verändert. Dass sie einen Gott-ähnlichen Platz einnimmt, schrieb schon der Medienkritiker Neil Postman (1931-2003).
Die Menschen glauben, dass die Technologie funktioniert, dass sie sich auf sie stützen können, dass sie Versprechungen machen, dass sie verzweifelt sind, wenn ihnen der Zugang zu ihr verwehrt wird, dass sie erfreut sind, wenn sie in ihrer Präsenz bleiben, dass sie für die meisten Menschen auf geheimnisvolle Weise funktioniert, dass sie Menschen verurteilen, die sich gegen sie aussprechen, dass sie in Ehrfurcht vor ihr stehen und dass sie im Modus der Wiedergeburt ihren Lebensstil, ihre Zeitpläne, ihre Gewohnheiten und ihre Beziehungen ändern, um sich ihr anzupassen. (Neil Postman, The End of Education, 38)
Ein Nachweis gefällig? Ganz einfach:
Die Entfernung eines Fernsehers (heute: Smartphones) aus dem Zimmer (Leben) eines typischen Teenagers (und Erwachsenen oder Senioren) ist nicht einfach die Entfernung eines Möbelstücks, sondern verändert die gesamte Umgebung oder Ökologie.
Dies ist das vordergründige Symptom. Von ebenso grosser Wichtigkeit ist jedoch die Veränderung der Denk- und Merkgewohnheiten:
Das Bild verdrängte das Wort als vorherrschendes Kommunikationsmittel, die Aufmerksamkeitsspanne schrumpfte im Einklang mit dem rasanten Tempo des flüchtigen Videobildes, und eine nichtlineare Orientierung am Leben ersetzte die geordnete Lebensauffassung, die durch das Buch gefördert wurde.
Wie treffend beschrieb Groothuis am Beispiel des Radios (Worte über den Äther statt Präsenz) den trügerischen Ersatz der Online-Kanäle:
Wenn wir glauben, dass das Anhören einer Predigt – selbst einer sehr guten Predigt – im Radio dasselbe ist wie die Zusammenkunft in unserer örtlichen Gemeinde, um durch die Predigt des Wortes Gottes herausgefordert zu werden, dann täuschen wir uns. Und wenn wir glauben, dass eine weit verbreitete Radioarbeit die Dynamik des zwischenmenschlichen Dialogs – wie wir mit denen weinen, die weinen, und mit denen lachen, die lachen – ersetzen kann, dann sind wir ebenso betrogen. Solche Missverständnisse verdeutlichen die Gefahr des technologischen Ersatzes des Persönlichen. Ein künstliches und unpersönliches Kommunikationsmittel ersetzt die menschliche Interaktion auf eine Weise, die nicht sofort offensichtlich ist. Auf diese Weise wird die persönliche Dimension, die Gott so hoch schätzt, entwertet.
Eigentlich geht es um die Veränderung unserer (Denk-)Gewohnheiten und die seit je bestehende Gefahr der Unterwanderung durch säkulare Gewohnheiten:
Wenn weltliche Denkmuster vorherrschen, werden (wissentlich oder unwissentlich) Formen der Kultur übernommen, die gottfeindlich und entmenschlichend sind; Götzen werden umarmt, anstatt sie bloßzustellen; das Relative wird verabsolutiert und das Absolute relativiert. Weltlichkeit ist immer der Feind des christlichen Charakters und ein schändlicher Makel für die Kirche.
Christen sind gefordert, die Formen der Weltlicht, wie sie sich in ihrer Generation zeigen, entgegen zu stellen – so Francis Schaeffer. Ich befürchte, dass der Dammbruch längst Wirklichkeit geworden ist. Es gilt den mühsamen Weg der Rückeroberung zu beschreiten.