Predigt: Paulus Verteidigung in Athen – Rechtsstreit statt Stammtisch

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Seit Jahren habe ich die Rede von Paulus auf dem Areopag (Apg 17,16-34) als erstrangigen Beleg für a) die Suche nach Anknüpfungspunkten beim Gegenüber, b) als kollegialen Austausch, einem Stammtisch vergleichbar, c) als eine Fortführung der Gedanken der Gesprächspartner, angereichert um etwas von Jesus, vorgelegt bekommen. Der Theologe Simon Schuster legt in einer Predigt (45 Minuten) überzeugend dar, dass Paulus einen Rechtsstreit auf Tod und Leben ausfocht. Lukas macht deutlich:

  • Paulus ist ergrimmt – provoziert – verärgert. Er führt keine Diskussionen mit Menschen, die schon auf dem richtigen Weg sind.
  • Die Philosophen greifen Paulus an und beschimpfen ihn. Sie bezeichnen ihn als Schwätzer, als einen, der Brocken aufschnappt und sich als Wichtigtuer aufspielt.
  • Sie werfen ihm vor, ein Verkündigen fremder Götter zu sein. Konkret bezichtigten sie ihn, zwei fremde Götter, Jesus und die Auferstehung, im Gepäck mitgeführt zu haben.
  • Sie packen Paulus und führen ihn auf den Areopag zum Verhör. Er stand dort nicht, um besser gehört zu werden. Seine Ankläger scharten sich um ihn herum und forderten eine Verteidigung.
  • Paulus führte die Rede als Rechtsstreit. Es geht nicht um eine spannende Diskussion, sondern um eine Art Strafprozess. Womöglich ging es um Leben und Tod.

Anwendung: Wir leben nur anscheinend in toleranten Zeiten. Der Westen hat das Christentum längst hinter sich gelassen. Wir sind in eine neue Zeit der Unwissenheit eingetaucht. Das Christentum ist heute die Religion alter weisser Männer und steht damit ganz oben auf der Fahndungsliste der Hüter der politischen Korrektheit.

Das Christentum birgt jedoch wie im ersten Jahrhundert auch heute Überraschungspotenzial. Paulus wurde wiederholt vorgeworfen, mit seiner Lehre alles auf den Kopf zu stellen (lies Apg 16 in Philippi oder Apg 19 in Ephesus). Das Evangelium greift ins gesamte Leben ein und führt zur Umkehrung von Einzelne, ohne der Unterordnung unter den Staat entgegen gestellt zu sein. Dies macht der Autor Lukas deutlich – der gleiche Lukas, der übrigens ironisch die Neigung der Athener kommentiert: “Alle Athener nämlich und auch die dort lebenden Fremden vertrieben sich mit nichts anderem so gerne die Zeit als damit, etwas Neues zu sagen und zu hören.”

Paulus attackierte den Götzendienst der Athener. Achtung: Wer die Götzen angreift, geht ans Eingemachte. Der Gott, der alles gemacht hat, braucht nichts von uns. Die Griechen hatten den Götzen sogar Spiegel hingestellt, damit diese ihrer Eitelkeit frönen konnten. Der Allmächtige hatte die Welt aus seiner Fülle heraus geschaffen. Er sorgt ebenso für den nächsten Atemzug. In anderen Worten: Wenn meine Genialität und mein Witz nicht da wären – würde Ihm nichts fehlen. Das ist eine vernichtende Kritik an das pantheistische Verständnis der Athener.

Dieser Gott ist nicht ferne, sondern so nahe, dass er unserem Gewissen bezeugt ist. Allerdings gleicht unsere Suche einem umhertastenden Wahrnehmen – wie wenn Kinder Blinde Kuh spielen. Der Höhepunkt ist der Aufruf zur Umkehr. Gott hatte lange, lange nichts gegen den Götzendienst unternommen, ja darüber hinweg gesehen. Diese Zeit war jedoch vorbei. Er wird die Majestätsverletzung nicht endlos ertragen. Wer sich in Umkehr an Ihn wendet, dem wird er zum Retter, den anderen folgerichtig zum Richter.