Zitat der Woche: Einen Influencer gedatet

Wie unglaublich hohl diese Welt ist, verdeutlicht dieser Blogbeitrag:

Bevor wir uns überhaupt nur schon an ein Tischli setzen und mal mit Smalltalk beginnen können, sind 1,5 Stunden vergangen, in denen wir «Content shooten» mussten. Was ich denn so mache, fragt er. Ich erzähle von meinem Jöbli in einer Bar. Findet er mässig spannend. Korrigendum: Er findet es sehr viel zu wenig fancy.

Er sei Vollblut-Influencer. Verdiene sehr gutes Geld. Habe J-E-D-E-N Tag SEHR viele Anfragen. Er gehe aber nur Kooperationen mit Kunden ein, hinter deren Produkten er stehen kann. Für Fleisch würde er beispielsweise NIE werben. Erst gerade eben wollte eine Grillmarke, dass er für sie Bratwürste und Spareribs grillt. «GEHT’S NOCH!?», findet Rafael. Er sei «flexibler Veganer». Das klingt super. Ich übernehme das und wandle es für mich in «Ich bin flexibler Single» um.

Er erzählt mir nun, wie er zum Influencer wurde. Zuerst war er Model (logisch!), dann Moderator (logisch!) und jetzt eben SEHR erfolgreicher Influencer (logisch!).

(…) Auf dem Weg dahin geht Rafael live. Er erzählt seinen Fans, dass er zum See geht. Und er sagt, dass er eine «sehr charmante Begleitung» dabei habe. Dann schwenkt er auf mich. Das hasse ich. Das sage ich auch. Er versteht es nicht. «Wenn ich dich tagge, hast du weisst du wie schnell 50 bis 100 Follower mehr.»

(…) Er will jetzt Pedalo fahren. Obwohl er Pedalo fahren hasst.Für die Inszenierung eines happy Dates aber, sei das Pedalo gut, erklärt er. Ich schlage ein. Kaum sitzen wir im Tretboot, sage ich ihm, dass mein linker Fuss kaputt ist und ich nicht treten kann. Rafael entgleist das Gesicht. Das sei dann schon nicht die Idee, dass er alles selber machen muss. Ich soll dann wenigstens gute Filmli und gute Bilder schiessen. Das Zeitfenster ist knapp. Zehn Minuten maximal. Dann schwitzt Rafael und seine Frisur ist zur Sau und so will er sich SICHER nicht präsentieren. Ich habe mehrheitlich schlechten als rechten «Content geshootet».

(…) Ein paar Stunden später schaue ich mir seine Insta-Story an. Ich sehe sehr viel Lebensfreude in der gesunden Bar, einen sehr fröhlichen Spaziergang zum See, eine enorm herzige Entenfamilie und einen happy happy happy Rafael, der enorm viel Spass auf dem Pedalo hat. Ich habe keine Ahnung, wie er aus meinem Schrott so viel Scheinwelt inszenieren konnte.