Zitat der Woche: Sinnverlust und Lebenserfüllung

Das Werk «Ärztliche Seelsorge» wurde von Frankl in den Vorkriegsjahren geschrieben, ging als Manuskript unter und wurde 1946 – nach seiner Entlassung aus den Lagern –  von ihm rekonstruiert. Es gilt als Grundlagenwerk der Logotherapie. Hier sind einige zentrale Stellen aus dem Anfang des Buches:

  1. Ansatz war der allgemeine Zweifel an einem Sinn des Lebens und das so sehr um sich greifende Sinnlosigkeitsgefühl. (Kindle-Position 133)
  2. (Jeder Mensch hat die) Freiheit zu etwas, nämlich die Freiheit zu einer Stellungnahme gegenüber all den Bedingungen. (203)
  3. (Die wichtigste Waffe,) die es im psychotherapeutischen Arsenal jemals gegeben hat: der Orientierung des Menschen nach Sinn und Werten. (243)
  4. Wie leicht könnte das professionelle Apperzeptionsschema uns dazu veranlassen, die so menschliche Sorge des Menschen um den Daseinssinn – nur der Mensch kann die Sinnfrage stellen, den Sinn seines Daseins in Frage stellen! – entweder wegzuanalysieren oder wegzutranquilisieren. (262)
  5. Der Mensch leidet heute nicht nur an einer Instinktverarmung, sondern auch an einem Traditionsverlust. Nunmehr sagen ihm die Instinkte nicht mehr, was er muß, und die Traditionen nicht mehr, was er soll. (272)
  6. Paradoxerweise bringt die Vermassung in der Industriegesellschaft eine Vereinsamung mit sich, die das Aussprachebedürfnis steigert. (380)
  7. Lebenserfüllung (ist) gleichsam eine vektorielle Größe: sie ist gerichtet, gerichtet auf die jeder einzelnen menschlichen Person vorgegebene, vorbehaltene, aufgegebene Wertmöglichkeit, um deren Verwirklichung es im Leben geht. (430)
  8. (Logotherapie sucht) den Menschen in seiner geistigen Not zu schauen – um von hier aus zu helfen. (459)
  9. (Studenten aus Harvard klagten) über den empfundenen Mangel einer besonderen Lebensaufgabe, einer Tätigkeit, in der sie einen einzigartigen und unersetzlichen Beitrag leisten könnten. (501)
  10. Angesichts der »Abwanderung der abendländischen Menschheit vom Seelsorger zum Seelenarzt«, wie sie v. Gebsattel verzeichnen konnte, wächst der Psychotherapie eine Art Statthalterfunktion zu. (520)