Tim Challies. Produktiv. ebtc, 2021. 155 Seiten. Euro 5,90 (eBuch).
Gott beruft dich zur Produktivität, und zwar zur richtigen Art der Produktivität. Er beruft dich dazu, um seinetwillen und nicht um deinetwillen produktiv zu sein. … Die meisten Produktivitätsgurus werden dich ermutigen, so selbstsüchtig wie nötig zu sein, um alles loszuwerden, was dich nicht interessiert oder dir keinen Spaß macht. Doch als Christ weißt du, dass du auch Dinge tun kannst, die nicht perfekt in deinen Auftrag hineinpassen. (30+52)
Der ebtc-Verlag gibt Schub! Neben der hilfreichen Serie “Taschenhilfe” legt er einige Bücher zur Selbstführung auf. Zu erwähnen ist hier “Hol dir deine Zeit zurück!”. Nach “Visual Bible Guide” ist dies nun die zweite Übersetzung des kanadischen Bloggers Tim Challies.
Wozu und wie
Das Inhaltsverzeichnis liest sich wie eine Handlungsanweisung – und dies auch noch in der richtigen Reihenfolge. Die ersten drei Kapitel legen das Fundament. Zuerst geht es um das Bewusstsein der menschlichen Bestimmung und der dem Einzelnen konkret zugeeigneten Berufung. Daraus können die Verantwortlichkeiten abgesteckt werden. Danach geht es um die konkreten Aufgaben pro Verantwortlichkeitsbereich, den Einsatz dafür geeigneter Werkzeuge und die regelmässige Überprüfung der Systematik und Planung.
“Ich bin davon überzeugt, dass dieses Buch dein Leben verbessern kann.” Handelt es sich um ein typisch-amerikanisches Versprechen? Nein. “Ich möchte, dass du mehr von dem tust, was am meisten zählt … deine Verantwortlichkeiten klar im Auge behältst und stetig Fortschritte machst. Und nachts kannst du dann ruhig schlafen.” Challies nimmt dabei Bezug auf den top-produktiven Erfinder König Salomo, der trotz gefüllter Agenda offenbar ruhigen Schlaf fand (Psalm 127,2).
Klarheit über den Lebenszweck
Das erste Kapitel packt Challies in den Form eines kleinen “Katechismus”. Er steckt den menschlichen Daseinszweck bedacht ab und gelangt zur Schlussfolgerung: “Produktivität ist die effektive Haushalterschaft meiner Gaben, Talente, Zeit, Energie und meines Eifers zum Nutzen anderer und zur Ehre Gottes.” (21)
Ja, Challies ist sich wohl bewusst, dass wir auf zwei Seiten vom Pferd fallen können. Ohne Erlösung ist zwar Selbstoptimierung möglich. Diese mutiert jedoch zur Vergötzung des Selbst. Umgekehrt ist das Christsein kein Vorwand zur Passivität. “Wenn du also Gott in allen Bereichen verherrlichen kannst, dann solltest du Gott auch in allen Bereichen verherrlichen. Es gibt keinen Lebensbereich, wo du nicht in der Lage bist, anderen Gutes zu tun und Gott zu verherrlichen.” (20)
Ein Produktivitätsdieb macht sich in der Tarnung der geschäftigen Faulheit bemerkbar. “Wenn du den Faulen im Buch der Sprüche unter die Lupe nimmst, siehst du, dass es sich um einen Menschen handelt, der sich weigert, sich auf neue Unternehmungen einzulassen; der nichts zu Ende führt, was er begonnen hat; der der Wirklichkeit nicht ins Auge sieht und der bei alledem rastlos, hilflos und nutzlos ist.” (24)
Verantwortlichkeitsbereiche und Aufträge
Challies sieht sich durch Zielsetzungen eher gelähmt. Dafür definierte er für sich fünf Verantwortlichkeitsbereiche. Vier Bereiche (Persönlich, Familie, Gemeinde, Geschäftliches), die Challies für sich selbst absteckt, hätte ich erwartet, den fünften übersehen (Soziales). Für jeden dieser Bereiche formulierte der Autor sich konkrete Aufträge, aus denen er Prioritäten und Tätigkeiten ableitet. “Was sich für mich als sinnvoll erwiesen hat, ist die Formulierung eines begrenzten Leitbildes für jeden einzelnen meiner Verantwortungsbereiche.” (45)
Drei Werkzeuge: Kalender, Aufgabenplaner und Notizbuch
Richtig ungemütlich wurde es bei der ausführlichen, weil sehr konkreten Beschreibung der drei Werkzeuge. Challies trifft hier eine wunde Stelle meiner eigenen Selbstführung. “Deine Produktivität ist in großem Maße davon abhängig, dass du die besten Werkzeuge für die jeweilige Aufgabe findest und anwendest.” (56) Den Google-Kalender nutze ich seit meiner letzten beruflichen Zäsur vor zwei Jahren. OneNote ist die Ablageort für meine Notizen – neben meinem physischen Notizbuch. Ab 2022 werde ich hier eine bessere Ordnung hineinbringen. Einem Aufgabenmanager habe ich mich bisher noch verweigert und zog die altmodischen To Do-Listen auf Post-it vor. Auch im Behalten von interessanten Informationen kann ich noch zulegen (clippen, einscannen).
Überblick behalten und unterschiedliche Produktivitätsphasen durchleben
Motivationsschwankungen? Gehören dazu. “Du musst jene Zeiten der hohen Motivation nutzen, um Gewohnheiten zu schaffen und um diese Gewohnheiten in ein System einzubetten.” (95) Hier spielt eine zentrale Fragestellung hinein: Weshalb überhaupt ein System anlegen? Das fragen mich selbst Menschen in den Vierzigern, die sich genügend oft über ihren eigenen Produktivitätsmangel beklagen. “Ein Produktivitätssystem besteht aus einer Reihe von Methoden, Gewohnheiten und Routinen, durch die du genau weißt, was zu tun ist, und dies dann auch möglichst effektiv zu tun.” (97)
Challies empfiehlt, sich täglich Überblick zu verschaffen und veranschlagt dafür nicht mehr als fünf Minuten (104). Ebenfalls wichtig ist der Abgleich mit dem eigenen täglichen Energiehaushalt: “Plane deine wichtigsten Aufgaben für die Zeitfenster ein, in denen du die meiste Energie hast.” (108) Gerade so wichtig ist der Blick auf die eigenen Götzen. “Beim Erwägen unserer Prioritäten ist es weise, ein Auge auf unsere Götzen zu haben, da wir wissen, dass wir dazu neigen, jene Aufgaben, die Gott verherrlichen, zu vernachlässigen und jene zu tun, die uns bestätigen und von denen wir glauben, dass sie unser Geltungsbedürfnis befriedigen.” (112)
Noch produktiver werden? Ja, zu Gottes Ehre!
Wie kann ich also in einer neuen Woche in meinen Auftragsbereichen dienen; wie kann ich gar überraschen, indem ich eine hervorragende Arbeit verrichte (121f)? Diese Fragen ziemen sich gerade für den, der bewusst in der Gegenwart Gottes (Coram Deo) lebt.
Mit Recht verweist Challies auf das, was unser Leben wirklich ändert. Es sind die täglichen Gewohnheiten. Bis jetzt lebte ich mit der Leitidee: Mit einem Grundrhythmus und einigen fixen Aufgaben pro Tag lässt sich ein produktives Leben führen. Ich tue mich schwer, meinen Tag in einem Aufgabenplaner zu takten. Ein nächster realistischer Schritt lautet deshalb: Meine Aufgabenbereiche mit konkretem Auftrag zu verknüpfen und diese zu Jahresende mit meiner Frau zu besprechen
Es hat mich verblüfft, wie konkret die Anweisungen dieses Buches sind. Challies nimmt wiederholt auf seine eigene Planung Bezug und begründet diese. Ich gehe auf die 50 zu und merke, dass sich allen guten Vorsätzen zum Trotz einige Mankos vergrössern. Beispiel? Der Umgang mit meinen Emails. Challies schlägt vier Prinzipien zur Bezwingung vor: Antworte, falls du dafür nicht mehr als 10 Sekunden brauchst. Lösche die E-Mail, wenn es sich um Junkmail handelt. Archiviere sie, wenn du sie noch brauchst. Verschiebe sie in deinen Antwortordner, wenn du sie später beantworten wirst.