Ich habe vor meiner Diagnose ein Leben lang andere beraten. Werde ich in der Lage sein, meinen eigenen Rat anzunehmen?
So fragte sich Timothy Keller im März 2021 nach seiner Krebsdiagnose in diesem lesenswerten Artikel.
Wir (meine Frau und ich) wurden beide 70, aber wir fühlten uns stark, klar im Kopf und fähig zu fast allen Dingen, die wir in den letzten 50 Jahren getan haben. … Ich fühlte mich wie ein Chirurg, der plötzlich auf dem Operationstisch lag. … Trotz meiner rationalen, bewussten Erkenntnis, dass ich eines Tages sterben würde, löste die erschütternde Realität einer tödlichen Diagnose eine bemerkenswert starke psychologische Leugnung der Sterblichkeit aus. … Der Tod ist für uns eine Abstraktion, etwas technisch Wahres, das aber als persönliche Realität unvorstellbar ist. … Als der Tod, der letzte Feind, in meinem Herzen real wurde, erkannte ich, dass meine Überzeugungen ebenso real werden mussten, sonst würde ich den Tag nicht überstehen können
Wir haben so viel Zutrauen in unsere logischen Fähigkeiten, dass wir, wenn wir uns keinen guten Grund für die Existenz von Leid vorstellen können, annehmen, dass es keines geben könne. … Die Menschen sagen, dass ihr Leid den Glauben an Gott unmöglich mache, aber in Wirklichkeit ist es ihr übermäßiges Vertrauen in sich selbst und ihre Fähigkeiten, das sie in Wut, Angst und Verwirrung stürzt.
Ich kann zwar nicht behaupten, dass eine meiner Gotteserfahrungen in den letzten Monaten “glückselig ” war, aber sie waren doch tiefer und süßer als alles, was ich bisher erlebt habe. … Die erste war, mich in die Psalmen zu vertiefen, um sicher zu sein, dass ich nicht einem Gott begegnete, den ich mir selbst ausgedacht hatte. … Die Autoren wenden sich weder an Gott noch an ihre Leser, sondern an ihre eigene Seele, an sich selbst. Sie hören nicht so sehr auf ihre Herzen, sondern sprechen zu ihnen. Sie befragen sie und erinnern sie an Gott. … Ich musste mein tiefstes Vertrauen, meine stärkste Liebe und meine größten Ängste unter die Lupe nehmen und sie mit Gott in Verbindung bringen. …
Seit meiner Diagnose haben Kathy und ich erkannt, dass wir diese Welt umso weniger genießen konnten, je mehr wir versuchten, aus ihr einen Himmel zu machen – je mehr wir unseren Komfort und unsere Sicherheit in ihr verankerten.