Buchhinweis: Der Eindruck des Sprechers als letzte Wahrheit

Passendes Buch:

Hier klicken

Ich bin mit der Naivität gross geworden, dass die Form den Inhalt unbehelligt lasse. Der berühmte Medienkritiker Neil Postman (1931-2003) legt überzeugend dar, dass dem nicht so ist. Holger Lahayne, Theologe und Blogger, hat eine ausführliche Buchbesprechung des Klassikers “Wir amüsieren uns zu Tode” vorgelegt. Er weist auf zwei weitere wichtige Werke, “Keine Götter mehr. Das Ende der Erziehung”, “Das Verschwinden der Kindheit” und “Das Technopol: die Macht der Technologien und die Entmündigung der Gesellschaft” hin.

In jedem Werkzeug steckt eine ideologische Tendenz, eine Neigung, die Welt so und nicht anders zu konstruieren, bestimmte Dinge höher zu bewerten als andere, einer bestimmten Auffassung, einer bestimmten Fertigkeit, einer bestimmten Einstellung mehr Gewicht beizumessen als anderen.

Das Zeitalter des Buches war gleichzeitig die Epoche der ausführlichen Erörterung.

Die „Aufmerksamkeitsspanne“ der Menschen war „nach heutigen Maßstäben offenbar außerordentlich groß“. Die Zuhörer waren in der Lage, „lange und komplizierte Sätze zu erfassen“. In solchen Debatten „gab es Argument und Gegenargument, Behauptung und Gegenbehauptung, Kritik maßgeblicher Texte und die äußerst sorgfältige Prüfung der Sätze“. Der Diskurs war „mit Inhalt befrachtet und ernsthaft“ und erforderte „intellektuelle Wachsamkeit“.

Erst mit dieser Perspektive lässt sich der Wechsel zur Zeit des bewegten Bildes adäquat vorstellen.

Es präsentiert jedes Thema als Unterhaltung und „erfordert die Kunst der Darstellung“. Das Medium zwingt geradezu „einen Auftritt zu absolvieren, statt Gedanken zu entwickeln“. Ziel des Fernsehens ist „Applaus, nicht Nachdenklichkeit“. Das Wesen dieses Mediums führt dazu, „dass es den Gehalt von Ideen unterdrücken muss“. … Es ist „für Bilder ein Leichtes, sich gegen Worte durchzusetzen und die Besinnung kurzzuschließen“. … Postman hatte erkannt, dass gerade Kommunikationstechnologien neue Definitionen von Wahrheit hervorbringen. Das Fernsehen etablierte als „letztes Kriterium für die Wahrheit eines Satzes die Glaubwürdigkeit des Sprechers“. Um die Realität brauchen sich Politiker so lange nicht sonderlich zu kümmern, solange sie glaubwürdig wirken. „Wenn die Politik dem Showbusiness gleicht, dann kommt es nicht darauf an, überragende Leistungen, Klarheit und Redlichkeit anzustreben, sondern darauf, den Eindruck zu erwecken, man täte es – und das ist etwas ganz anderes.“

Jonas Erne hat einige wichtige Zitate zusammengetragen. Ich empfehle ausserdem wärmstens “Media, Journalism, and Communication: A Student’s Guide” vom Medienethiker Wheatons, Mercer Schuchardt. Derselbe hat eine lesbare Einleitung zu Jacques Ellul (1912-1994), einem weiteren Medienkritiker des 20. Jahrhunderts, verfasst.