Zitat der Woche: Das Gefühl grenzenloser Ohnmacht

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Atemlosigkeit. Das fasst das Verfolgen dieses durch unzählige Handy-Filmschnipsel gebannten Krieges in der Ukraine gut zusammen. Karl Schlögel (*1946) beschreibt den Entstehungsprozess seines Buches 2015 treffend mit Worten, denen ich nach wenigen Wochen intensiven Twitter-Lesens und -Schauens nur zustimmen kann (in “Entscheidung in Kiew – Ukrainische Lektionen”):

Wir wissen nicht, wie der Kampf um die Ukraine ausgehen wird; ob sie sich gegen die russische Aggression behaupten oder ob sie in die Knie gehen wird, ob die Europäer, der Westen, sie verteidigen oder preisgeben wird; ob die Europäische Union zusammenhalten oder auseinanderfallen wird. Nur so viel ist gewiss: Die Ukraine wird nie mehr von der Landkarte in unseren Köpfen verschwinden.

Schlögel bemerkte “dass man sich ein Leben lang mit dem östlichen Europa, mit Russland und der Sowjetunion beschäftigt haben konnte, ohne eine genauere Kenntnis von der Ukraine besitzen zu müssen…” Beim Schreiben während der sich überstürzenden Ereignisse von 2014 stellte er dann fest, dass er “von Ereignissen bestimmt (wird), die von außen kommen. Man muss auf sie reagieren…” Er hängt im Netz, “nicht aus Bildersucht, nicht zum Zeitvertreib, sondern weil von der nächsten Nachricht, vom nächsten Ereignis alles abhängt.” Nur kurz ist die Beruhigung einer Zusammenfassung. “Zusammenfassende Analysen, Kommentare, Meinungen folgen in kürzestem Abstand, aber auch sie sind kein Haltepunkt, auf dem man sich ausruhen oder an dem man festhalten kann.” Sendungen (und Livestreams) laufen parallel. “Man kann die Reflexion über die Ereignisse in mehreren Talkshows gleichzeitig verfolgen.”

Zusammenfassend:

(M)an weiß, dass man nie Schritt halten kann, man weiß, dass man der Schwerkraft der Gewohnheit, der Unwissenheit, der sich selbst bestätigenden Vorurteile, die grassieren, unmittelbar und vielleicht sogar für längere Zeit nichts entgegenzusetzen hat. Ein Gefühl grenzenloser Ohnmacht.

… So wird man zum bloßen Augen- und Ohrenzeugen, zum Zaungast in einem Kampf, den andere entscheiden und andere mit ihrem Leben bezahlen.

… Im Situation Room ist man allein. Aus der Flut der Bilder und Nachrichten muss man sich einen Reim machen: Jeder auf seine Weise.