Douglas Wilson, leidenschaftlicher Verfasser von “What I learned in Narnia” (meine Rezension) skizziert in zwei Blogbeiträgen (hier und hier) die Eckpfeiler der theistischen Weltsicht von J. R. R. Tolkien.
Gott
Auf der ultimativen Ebene der Mythologie (im Silmarillion) füllt Gott notwendigerweise den Platz aus, den nur er ausfüllen kann – Illuvatar. Er ist der Schöpfer. Auch hier überlässt er die Details der Schöpfung den Valar (Engelwesen). Aber beachten Sie, wie Tolkien damit ein anderes Problem löst – das Problem nämmlich, dass Gott die Rolle einer Figur in einer fiktiven Welt einnimmt, die von einem von uns geschaffen wurde.
Mensch
Der Mensch (ohne die entsprechende Sprache zu verwenden) trägt eindeutig Gottes Bild (Imago Dei). Illuvatar hat dem Menschen zudem die Gabe des Todes gegeben, um die ihn die Elben beneiden. Zwischen Gott und den Menschen findet etwas Besonderes statt, und was das sein könnte, wird nie ausdrücklich gesagt. Apropos Elben: Das zeigt, wie komplex Tolkiens Sicht auf die Menschheit ist.
Die einzigen “Kinder” von Mittelerde, die nicht in irgendeiner Weise Menschen sind, sind die Zwerge. Die Hobbits sind Menschen. “Die Hobbits sind natürlich wirklich als ein Zweig der spezifisch menschlichen Rasse gedacht” (Letters, S. 158). Deshalb können sie bei dem großen Volk in Bree wohnen. Sie verkörpern das robuste Heldentum der einfachen Menschen.
Elben: “Sie verkörpern die wirklichen Menschen mit stark verbesserten ästhetischen und schöpferischen Fähigkeiten, großer Schönheit, längerem Leben und Adel – die Elbenkinder” (S. 176). Sie sind biologisch eins mit den Menschen und können sich mit ihnen vermählen – und tun es auch.
Orks müssen verderbte Wesen (corruptions) sein (Letters, S. 178), und, wie Tolkien es ausdrückt, “Elben können sich in Orks verwandeln” (S. 287, vgl. 191). Das bedeutet natürlich (in Anbetracht dessen, was Elben sind), dass Orks menschliche Potenzial zur Sünde repräsentieren. Tolkien geht sogar so weit zu sagen, dass “viele Menschen, denen man heute begegnet”, genauso schrecklich verdorben seien wie die Orks (S. 190).
Sünde
Die Darstellung der Sünde ist eine von Tolkiens großen Stärken. Unterhalb von Illuvatar ist Sünde auf jeder Ebene möglich, und sie kommt auch auf jeder Ebene vor. Unter den Valar sündigt Morgoth. Die Elben streben nach verbotenem Wissen, und ihre Anwesenheit in Mittelerde ist das Ergebnis ihres “Falls”. Die vollständige Verderbnis der Orks zeigt, wie weit dieser Prozess gehen kann. Selbst Galadriel ist eine reumütige Frau. Natürlich sündigen auch die Menschen. Die Hobbits verbünden sich mit Saruman, um das Auenland zu verderben.
Erlösung
Auf der anderen Seite würde ich sagen, dass dies Tolkiens schwächster Punkt ist. Die Erlösung scheint von allen Seiten als einfache Reue akzeptiert zu werden. Es scheint kein Gefühl für die Notwendigkeit einer Sühne zu existieren. Morgoth sündigt fortwährend und kommt dann davon, indem er Reue vortäuscht. Sauron täuscht Reue vor. Gollum kommt der Reue einen Schritt näher. Tolkien könnte seine Position verteidigen, indem er sagt, die Reue sei vorgetäuscht.
Offenbarung
Die Offenbarung fehlt nicht unbedingt. Die Menschen (im Buch) wissen einfach um grundsätzliche Dinge. Und die Bösen stellen diese nicht in Frage. Dies ist natürlich eine Geschichte, und die Wahrheitsträger in dieser Geschichte sind “Märchen”.
Magie
Der ganze Sinn der Magie ist die Manipulation von Materie, um Macht zu erlangen. Genau das tut Harry Potter. In der Welt von Der Herr der Ringe ist das Gegenteil der Fall. Die Guten stellen eher ein Negativbild der Magie dar. Der Ring der Macht ist das ultimative Symbol der Magie im traditionellen Sinne. Der ganze Sinn des Buches besteht darin, ihn zu zerstören und allen Versuchungen zu widerstehen, ihn zu benutzen. Alle derartigen Versuchungen sind in Wirklichkeit Versuchungen, das zu tun, was wir “weiße Magie” nennen würden.
Veränderung
Beachten Sie das Thema der verschiedenen Veränderungen – aber die Betonung der Veränderung liegt auf den guten Charakteren. Die Bösen sind eintönig gleichförmig. Aber: Gandalf der Graue wird zu Gandalf dem Weißen. Frodo, der Hobbit, wird zum Quasi-Elben. Samwise, der Hobbit, wird ein echter Hobbit, oder ein Quasi-Mensch. Streicher wird zu Aragorn. Arwen wird sterblich.
Technologie
Baumbart sagt über Saruman, dass er “einen Verstand für Metall und Räder hat und sich nicht für wachsende Dinge interessiert.” Gandalf sagt zu Saruman: “Wer ein Ding zerbricht, um herauszufinden, was es ist, hat den Pfad der Weisheit verlassen.”
Gleich und ungleich
- Was haben Faramir und Gandalf gemeinsam?
- Was haben Arwen und Eowyn gemeinsam?
- Was haben Frodo und Gollum gemeinsam?
- Was haben Boromir und Aragorn gemeinsam?
- Was haben Theoden und Denethor gemeinsam?
Doug Wilson unterhält sich mit N. D. Wilson über Magie in der Literatur (hier und hier). Ihre Argumentation: Die Bibel ist von Magie, nämlich Wundern, durchsetzt. Das starke Bewusstsein der unsichtbaren Welt ist keine frühere Stufe in der Entwicklung der Menschen. Dies widerspiegelt das Denken nach der Aufklärung. Leider hat sich unser oft ein funktional atheistisches Weltbild bemächtigt. Die Frage ist demnach nicht die Existenz, sondern Intention und Zielrichtung. Es geht um den Widerstreit der Mächte der Finsternis und des Lichts. Die einen streben nach der Selbstvergottung, die andere haben Gottes Ehre zum Ziel.