Input: Aristoteles’ Tugendethik

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Seit längerer Zeit setze ich mich mit der Tugendethik auseinander. Der auf Aristoteles spezialisierte Philosoph Otfried Höffe (* 1943) stellt im Aufsatz “Aristoteles’ universalistische Tugendethik” (in: Tugendethik, reclam, 1998, S. 42-68) verschiedene Unschärfen der Rezeption dar:

  1. Nicht erst Kant, sondern schon Aristoteles verwirft eine theonome, auf göttliches Gesetz gründende Moral.
  2. Die Grundlage von moralischer Verbindlichkeit liegt in Elementen des Menschen selbst, nämlich dem Glück, verstanden als Vollendung des dem Menschen immanenten Strebens (eudaimonia).
  3. Aristoteles relativiert die Traditionen der eigenen Gesellschaft. Er weiss um die Verschiedenartigkeit des Guten und Gerechten.
  4. Er beruft sich nicht nur auf das Herkommen (nomos), sondern setzt sich für vor- und überpositive Instanzen (physis) ein.
  5. Auch bei Aristoteles finden sich Elemente des Sollens. Die Gerechtigkeit nimmt dabei eine Sonderstellung ein.
  6. Auch weiss Aristoteles, dass eigentliche Freundschaft viel zu selten ist, als dass man darauf eine soziale Ordnung aufbauen könnte.

Was sind Elemente der aristotelischen Tugendethik?

  • Es gibt zwei grundverschiedene Arten, nämlich Charaktertugenden (aretai ethikbi) und die intellektuellen oder Verstandestugenden (aretai dianoetikai).
  • Eine Art der Verstandestugenden, die phronesis, ist für die moralische Praxis.
  • Charaktertugenden sind für Einstellungen und Ziele zuständig; die phronesis achtet auf die entsprechenden Mittel und Wege.
  • Die Tugenden sind gleichzeitig self-regarding und other-regarding.
  • Der Tugendhafte handelt nicht aus Zufall oder aus einer glücklichen Stimmung heraus, sondern dank eines festen Bestandteils seiner Persönlichkeit und daher in aller Verlässlichkeit.
  • Die eigentliche Tugend wird durch Einüben erworben.
  • Die Mitte ist nicht bloss ein Kompromiss zwischen zwei Lastern, sondern ein Bestes und Höchstes.
  • Blosse Leidenschaftlichkeit wird überwunden – nicht jedoch durch das Fehlen von Vitalität und Emotionen.
  • An die Stelle eines Erbadels tritt ein moralischer Adel. Das Recht auf Ansehen gründet auf eigener Leistung. Ehre ist der Siegespreis aller Tugend.
  • Der Einzelne bezieht sich auf seine Mitmenschen, hängt jedoch nicht von ihnen ab.
  • Charaktertugend besteht um ihrer selbst willen, nicht nur als Mittel zu einem aussermoralischen Zweck.
  • Man muss das Richtige aus gerne tun.
  • Tugend durch Gesetze ist zweitbeste Kategorie der Tugend.