Wie konnte es zum islamistischen Terror kommen? Lawrence Wright (* 1947), Journalist und Schriftsteller, zeigt in seinem Werk “Der Tod wird euch finden: Al-Qaida und der Weg zum 11. September” (2007) eindrücklich die Verflechtung von Lebensgeschichten, politischen Ereignissen und wechselvollen Grundansichten von Figuren wie Sayyid Qutb (1906-1966), az-Zawahiri (* 1951) und Osama bin Laden (1957-2011) auf.
Solche Männer wie Qutbunternahmen während der formativen Phase ihres Lebens gewissermassen eine doppelte Reise, nämlich “eine nach außen, in eine größere Welt, und eine nach innen, in seine eigene Seele. ‘Ich habe mich entschlossen, ein echter Muslim zu sein!’ (Pos. 173). Qutb fasste seinen inneren Erlebnisse nach der Ankunft in New York so zusammen: “„Hier an diesem fremdartigen Ort, dieser riesigen Werkstatt, die man die ,Neue Welt‘ nennt, habe ich das Gefühl, dass meine Seele, mein Geist und mein Körper in völliger Einsamkeit leben“ (218). Die Feindschaft zum Westen wird zum Grund- und Differenzgefühl. “Lasst uns unseren Kindern von klein auf beibringen, dass der weiße Mann der Feind der Menschheit ist und dass sie ihn bei der ersten sich bietenden Gelegenheit vernichten sollen.“ (473) Lawrence über die Bedeutung von Qutbs’ Werk: “Sein eindringlicher apokalyptischer Ton ist vergleichbar mit Rousseaus Gesellschaftsvertrag oder Lenins Was tun? – und das Werk zeitigte auch ähnliche blutige Konsequenzen.” (642) Das Sendungsbewusstsein wird durch das Ungemach von Gefängnis und Folterung noch gefestigt. “Die Zeit ist gekommen, dass ein Muslim seinen Kopf opfert, um die Geburt der islamischen Bewegung zu verkünden.” (663)
Die Lehre des Islams musste sich nochmals deutlich verändern. “Sie rufen zur fitna auf- ein Begriff, der für Krieg, Aufruhr und Schüren von Zwietracht in der islamischen Gemeinschaft steht”. (915) Ein vom Glauben abgefallener politischer Führer dürfe “zu Recht von den Gläubigen umgebracht werden” (1241) In Afghanistan fand diese ideologische Mischung einen Nährboden:
Der Kampf des Islams, wie Qutb ihn definiert hatte und wovon auch Assam überzeugt war, richtete sich gegen die Dschahilija – die ungläubige Welt, die vor der Entstehung des Islams existiert hatte und die nach wie vor die Gläubigen durch die Verlockungen des Materialismus, des Säkularismus und der Gleichheit der Geschlechter ins Verderben zu führen suchte. In diesem Afghanistan, geprägt von Armut, Ungebildetheit und patriarchalischen Stammesregeln, erhielt der heroische und scheinbar aussichtslose Kampf gegen den sowjetischen Koloss Züge eines epochalen historischen Ereignisses. (2111)
Radikalismus gedeiht gewöhnlich in der Kluft zwischen steigenden Erwartungen und schwindenden Möglichkeiten. Dies gilt in besonderem Maße dort, wo man es mit einer jungen, arbeitslosen und gelangweilten Bevölkerung zu tun hat. (2363)
Vom gleichen Autor, der schnörkellos, gut lesbar und unter einer Verwendung einer Vielzahl von Quellen berichtet, stammt das Werk “Dreizehn Tage im September: Das diplomatische Meisterstück von Camp David” (2016; dt. Übersetzung) über den ägyptisch-israelische Friedensabkommen von 1978.
