Zitat der Woche: Kinder weniger frustrationstolerant und ohne Basisfertigkeiten

Dieser Bericht deckt dich mit zahlreichen persönlichen Unterhaltungen:

Obwohl ich noch vor 15 Jahren wesentlich mehr Kinder zu betreuen hatte, nämlich 25, 26, 27 zusammen mit einer Kinderpflegerin, und wenn die krank war oder frei hatte, auch alleine, empfinde ich die Arbeit heute als wesentlich stressiger und belastender. Ich stelle fest, dass die Kinder sich verändert haben. Sie tun sich viel schwerer damit einfache, allgemein gültige Regeln, zu akzeptieren. Es ist oft wirklich sehr mühselig, wenn man diese Alltagsregeln immer wieder aufs Neue erklären und durchsetzen muss, obwohl sie eigentlich jeder längst kennen müsste.

Die Frustrationstoleranz vieler Kinder ist sehr gering. Es wird wegen Nichtigkeiten sofort geschrien, geweint oder getobt. Oft erschrickt man, weil man denkt, einem Kind müsste irgendetwas Schreckliches zugestoßen sein, dabei hat nur jemand etwas gesagt, was dem anderen nicht gefallen hat. Für die Lösung allerkleinster Konflikte oder den Umgang mit minimalen Abweichungen vom Gewohnten brauchen sie die Hilfe eines Erwachsenen. Die Bereitschaft, sich selbst um eine Lösung zu bemühen, ist enorm gesunken. All das führt dazu, dass schon das ganz normale „Alltagsgeschäft“ im Kiga immer belastender wird und schwieriger zu bewältigen ist.

Hinzu kommt, dass gewisse Basisfertigkeiten, die Kinder früher „automatisch“ gelernt haben, heute mühsam antrainiert werden müssen. Z.B. einen Stift richtig zu halten – das haben sich die Kinder früher im Laufe der Zeit abgeschaut. Wenn sie Vorschulkinder waren, hatten sie sich eine korrekte Stifthaltung angewöhnt, ohne dass ihnen das vorher groß beigebracht worden wäre. Heute habe ich immer mehr Vorschulkinder, denen ich erst zeigen muss, wie man einen Stift richtig hält. Ob das daran liegt, dass Kinder nur noch selten Erwachsene mit einem Stift arbeiten sehen, sei einmal dahingestellt. Fakt ist, dass viele Basisfertigkeiten, die früher noch ganz selbstverständlich erworben wurden, heute, meist vom Kita-Personal, mit den Kindern eingeübt werden müssen.

Die Tendenz geht immer mehr dahin, dass Kinder allgemeine Lebenskompetenzen nicht mehr von den Eltern vermittelt bekommen, sondern dass sich dabei komplett auf den Kindergarten verlassen wird. Was ja auch kein Wunder ist, verbringen ja nicht wenige Kinder unter der Woche dort fast genauso viel Zeit wie zu Hause.