Zitat der Woche: Russland im Absturz

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Aus 100 öffentlichen Veranstaltungen in Gebietsstädten und Bezirksstädten Russlands während vier Jahren (frühe 1990er) wurden Alexander Solzhenitsyn zahllose Informationen zugetragen, die er in seinem Werk “Russland im Absturz” zusammenträgt.

All das zusammengenommen hinterliess in mir lebendige und unvergängliche Eindrücke vom Leben und von der Stimmung unseres Volkes in seinen verschiedenen Schichten. (S. 8)

Er trägt aus Tausenden von Briefen folgende Rückmeldungen zusammen. Sie stimmen mich auf dem Hintergrund des aktuellen Konflikts nachdenklich:

  • Alles schlägt man uns aus den Händen.
  • Niemand kümmert sich um etwas. Die Regierung hat kein Programm.
  • Wir haben auf die Demokratie gewartet, nun glauben wir niemandem mehr.
  • Wer ehrlich arbeitet, dem ist es jetzt unmöglich ehrlich zu leben.
  • Wir arbeiten nur noch aus Gewohnheit, niemand sieht einen Weg.
  • Von uns hängt nichts ab.
  • Wer jetzt nicht arbeitet, lebt besser. Bringst du etwas zum Markt, um es dort zu verkaufen, musst du dort Abgaben entrichten. Weniger produzieren bringt dir weniger Verlust.
  • Das Gesetz über den Boden wird von denen gemacht, die nie auf dem Lande gelebt haben.
  • Die Forscher kommen mit eigenen Instrumenten und sogar mit eigenen Bleistiften in das verarmte Internat.
  • Ich bin Lehrerin und schäme mich, aber ich bin gezwungen, mit Webschiffchen ein bisschen Geld zu verdienen. 
  • Werden wir jemals erleben, dass bei uns die Wissenschaft mehr als der Handel geschätzt wird?
  • Kinder fallen in der Schule vor Hunger in Ohnmacht.
  • Es gibt ausgestossene Kinder, die von ihren Eltern verstossen wurden.
  • Das ganze Leben habe ich gespart, und nun haben sie das Geld in Nichts verwandelt.
  • Woher soll man das Geld für ein Begräbnis nehmen?
  • Wie weiterleben? Wie soll man weiterleben?
  • Helfen Sie mir, noch ein paar Jahre zu leben!
  • Jetzt leben wir hinter Gittern (alle Fenster sind wegen Dieben vergittert).
  • An den wichtigsten Strassenkreuzungen erheben sich Müllberge aus Eisen und Glas. Seit elf Jahren stellt man uns kein Auto, um diese abzutransportieren.
  • Wasser bekommt man nur gebraucht und muss dafür bezahlen, man trinkt es nur, wäscht sich nicht und auch die Gärten werden nicht gegossen. Wäsche kann man nur weit entfernt, an eine Hydranten waschen, aber in ihm gibt es im Sommer keinen Druck.
  • Telefon gibt es in der Siedlung nicht, und das Lebensmittelgeschäft ist zwei Kilometer entfernt.
  • So viele Unglücke sind über uns hereingebrochen, von denen Russland sich nicht erholen kann.
  • Wie oft hat man uns schon belogen?
  • Man möchte gar nicht darüber reden – wir gehen zugrunde und sterben.
  • Ich will mich, dass mein Sohn in diesem Land zum Sklaven wird, möge er wegfahren!
  • Es braucht nur noch wenig Zeit zu vergehen – und nichts wird mehr zu retten sein.
  • Man beraubt einfach das einfache Volk.
  • Ich habe kein Vertrauen mehr zu dieser Macht.
  • Jetzt glaubt bei uns kein Mensch mehr der Obrigkeit, den Abgeordneten, dem Präsidenten. 
  • In der obersten Macht vertreten Schurken unser Gesetz.
  • Die Seele wird schwarz angesichts dessen, was da geschieht.
  • Die Menschen trinken fauliges Flusswasser.
  • Die Zahl der deformierten Kinder nimmt zu.
  • Die Schulen werden von den Eltern selbst repariert.
  • Eine in ein Klassenzimmer verwandelte Toilette.
  • Eine neu angetretene Lehrerin erhält umgerechnet 12 Dollar im Monat.
  • Wenn ich krank werde, habe ich nichts, um mich zu kurieren.
  • Wir ächzen unter dem Büchermangel.
  • Auf dem Militärkommando: Schwächliche, ungesunde Halbwüchsige, mit hoffnungslos traurigen Augen und ohne irgendwelche Perspektive.
  • Jetzt ist moralisch, was profitabel ist.
  • Jetzt herrscht bei uns die Ideologie des Raffens und des Neides.
  • Die Kinder sehen: Wer stiehlt, lebt besser, aber mein Vater versteht es nicht und will ehrlich bleiben. 

Dies ist nur ein Auszug. Ganz ähnlich schildert es die für ihr Buch zu Tschernobyl mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnete Autorin Swetlana Alexijewitsch in «Secondhand-Zeit: Leben auf den Trümmern des Sozialismus». Ich empfehle das von Schauspielern vorgetragene Buch wärmstens. Beten wir für das russische Volk!