Diese Buchbesprechung von Tanja Bittner stellt exemplarisch die enorme theologische Schwäche des Neo-Evangelikalismus (und nicht nur des Post-Evangelikalismus) dar. Vage Aussagen verstecken sich im Gewand der Demut. Die Folgen der implizit gelehrten Dogmatik sind sichtbar – in Gemeindeverbänden, theologischen Seminaren und Missionsgesellschaften.
Ein großer Himmel, in dem Gott all die guten Ansätze im Menschen honoriert. Eine kleine Hölle, die zudem „nur“ Vernichtung statt anhaltender Qual bedeutet. Diese Hoffnung möchte das Buch wecken. Vieles ließe sich dazu sagen und hinterfragen. Beispielsweise, ob die Bibel diese optimistische Sicht auf den Menschen wirklich teilt, der – solange er sich nicht gegen Gott verhärtet – doch auch so viel Gutes vorzuweisen hat, das Gott gewiss nicht übersehen wird. Es ist auch schwer nachzuvollziehen, weshalb der zweite Weg in den Himmel keine Werkgerechtigkeit sein soll – schenkt Gott doch dem, der entsprechend gute Ansätze zeigt, seine Gnade, wohingegen er dem, der ein bestimmtes Maß an Bosheit überschreitet, diese Gnade nicht gibt. Und es ist noch schwerer nachzuvollziehen, weshalb es „nicht so wichtig“ sein soll, ob es sich vielleicht doch um Werkgerechtigkeit handelt – eine Begründung wird auch nicht geliefert. … Vor allem aber steht und fällt das ganze Problem mit der Frage nach dem Wesen Gottes. Wegweisend ist immer wieder die Überlegung, was denn dem Wesen Gottes entspreche oder nicht entspreche (vgl. S. 179, 196 u.ö.). Dabei wird Gottes Wesen im Großen und Ganzen auf seine Barmherzigkeit reduziert (ausführlich erläutert anhand von 2Mose 34,6 auf S. 36–47), in deren Licht seine weiteren, biblisch bezeugten Eigenschaften zu verstehen sind bzw. zu verblassen scheinen (z.B. ist das „innerste Wesen des Gerichts“ Barmherzigkeit (S. 38); der Zorn des Lammes ist ein „liebevoller, wohlwollender und selbstloser Zorn“ (S. 43)). Aber: Wer sind wir, Gott in den Arm zu fallen und zu sagen: „Allmächtiger, halte dich gefälligst an unser schönes Gottesbild!“?