Input: Das Konzept der Neuen Autorität

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Neulich bin ich auf das Konzept der Neuen Autorität und dessen Einsatz in den Schulen gestossen. Dieses fusst auf folgenden Prinzipien:

  • Widerstand: Ich akzeptiere selbst- oder fremdgefährdendes, zerstörerisches Verhalten nicht. Ich benenne es, äussere meine Meinung und unternehme alles, ein solches Verhalten zu stoppen.
  • Beharrlichkeit: Ich bleibe beharrlich, weise immer wieder darauf hin, überlege mir andere Möglichkeiten, z. B. nutze ich die
  • Vernetzung: mit anderen Personen (Eltern, Paten, Fussballtrainern, teamintern mit anderen LP, MA der Betreuung, Hausdienst)
  • Öffentlichkeit: Je mehr Menschen (= wichtige, wohlgesinnte Bezugspersonen) von einem unerwünschten Verhalten wissen, desto höher ist die Chance, dass es nicht mehr passiert.
  • Selbstkontrolle: Ich kann das Verhalten von dir nicht kontrollieren, nur mein eigenes. Weil mir das bewusst ist, behalte ich «in meine Autorität».
  • Aufschub und Deeskalation: «Ich habe es gesehen, ich dulde solch ein Verhalten nicht, ich werde darauf zurückkommen.» – Schmiede das Eisen, wenn es kalt ist.
  • Wiedergutmachung: Ein Ritual, das Kind wieder aufzunehmen in die Gemeinschaft («Die Sache ist wieder in Ordnung!»)

Die Neue Autorität sucht dabei einen dritten Weg zwischen autoritärem Machtgehabe und anti-autoritären Strukturen. Ich zitiere aus einem Grundlagenpapier:

Gemäss Bindungstheorie gelten zwei elterliche Funktionen als zentral für eine gesunde Entwicklung des Kindes und als Voraussetzung für eine stabile, sichere Bindung: Eltern bieten dem Kind einerseits eine verlässliche, sichere Basis, die ihm das Erforschen einer fremden Umgebung und die Entwicklung seiner Selbständigkeit ermöglicht. Andererseits bieten sie ihm einen sicheren Hafen, wo das Kind Schutz, Trost und Zuspruch erfahren kann. Haim Omer beschreibt in seinem Konzept der „Neuen Autorität“ ein zeitgemässes Autoritätsverständnis, das diesen zwei unterschiedlichen erzieherischen Ansprüchen gerecht werden kann. Es bietet damit Erziehenden die Möglichkeit eines alternativen dritten Weges und hebt die Polarität zwischen traditioneller Autorität mit Begriffen wie Machtausübung, Dominanzorientierung und Kontrolle auf der einen Seite und antiautoritärer Haltung mit der Idee von Partnerschaftlichkeit auf der anderen Seite auf. Somit wird es für Erziehende eher möglich, eine Art Ankerfunktion für die Kinder zu übernehmen.

Dazu kommen Erkenntnisse aus dem gewaltlosen Widerstand:

Gewaltloser Widerstand ist ein konstruktiver „Kampf“ um das Kind, der sich durch Präsenz und Gewaltlosigkeit von Erziehenden ausdrückt. Durch die Vermeidung destruktiver Machtkämpfe steigt die Chance, dass eine beschädigte Bindungsbeziehung wieder repariert werden kann. Die Erziehenden stellen sich klar dem kritischen Verhalten eines Kindes entgegen, indem sie ihre Pflicht betonen, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, damit das problematische Verhalten nicht mehr vorkommt und gleichzeitig an einer guten Beziehung interessiert sind. Massnahmen des gewaltlosen Widerstands wie beispielsweise Ankündigung, Wiedergutmachung, Telefonrunde, Aufsuchen und Sit-in fussen auf folgenden vier Prinzipien:

  1. Demonstration von Widerstand: „Ich kann dies nicht akzeptieren und stelle mich entschieden gegen dein Verhalten!“
  2. Selbstkontrolle: „Ich lass mich nicht in Eskalationen reinziehen!“
  3. Gesten der Wertschätzung: „Ich biete – unabhängig von den Reibereien – positive Beziehungsangebote an!“
  4. Unterstützung: „Ich bin nicht allein, sondern ich werde in meinen Bemühungen unterstützt!“

In einem ausführlichen Artikel der NZZ wird das Konzept anhand von Mobbing erklärt:

Erfährt sie von einem Fall, kommt es in der Regel zu einer sogenannten «Ankündigung», einem anderen wichtigen Instrument der Neuen Autorität, das wie ein «protokollarisches Zeremoniell» (Haller) abläuft. Nach einem ersten Vorgespräch mit dem betroffenen Kind und seinen Eltern organisiert die Schulleiterin einen bewusst imposanten Auf[1]marsch von Erwachsenen vor der versammelten Klasse. Mit dabei sind: die Klassenlehrerin, weitere Fachlehrer, je nachdem die Schulsozialarbeiterin, die Hortleiterin, der Hauswart, eine Elternvertretung – insgesamt gut und gerne zehn Personen. Vor der Klasse erklärt nun die Schulleiterin, dass es einen Mobbingfall ge[1]geben habe. Sie breitet weder Namen noch Details aus und weist auch keine Schuld zu, sondern erklärt klipp und klar, dass man Gewalt nicht dulde. «Keine lange Predigt, sondern eine klare Durchsage. Es geht um die rasche Veränderung eines inakzeptablen Verhaltens», erklärt Regina Haller. Nach dem Statement der Erwachsenen soll jedes Kind in der Klasse auf einen Zettel schreiben, was es selber zur Verbesserung der Situation beitragen will – nicht nur mit einer allgemeinen Bekundung, sondern konkret, in[1]dem es zum Beispiel jeden Donnerstag in der Pause mit dem Mobbingopfer Fussball spielt. Am Schluss verkündet die Schulleiterin, dass man sich in zwei Wochen erneut in der Klasse treffe, um die Umsetzung der Vorschläge und die Situation des Mobbingopfers zu überprüfen.