Zitat der Woche: Augustinus zum Zusammenhang von Glaube und Leid

Auch wenn ich nicht mit allem übereinstimme, birgt dieser Aufsatz des katholischen Philosophen Edward Feser manch wichtigen Hinweis über unseren Umgang mit leidvollen Situationen.

Die Verblüffung über das Leiden ist weniger die Ursache als vielmehr die Folge des Abfalls des modernen Westens vom Katholischen Glauben.  Sie spiegelt auch die Verweichlichung und Dekadenz einer sterbenden Zivilisation wider, die sich an den Wohlstand gewöhnt hat und nicht in der Lage ist, ein höheres Gut jenseits der Bequemlichkeit und jenseits dieses Lebens zu erahnen, um dessentwillen wir das Leiden auf uns nehmen könnten. Und es sind nicht nur die Abtrünnigen, die diese Blindheit an den Tag legen. Die geistige Fäulnis hat sich tief in die Kirche hineingefressen und befällt auch diejenigen, die sonst der Orthodoxie und der christlichen Moral treu sind.  Und mit unserer Abneigung, das Leiden anzunehmen, sorgen wir nur dafür, dass es noch mehr wird.

Insbesondere der Hinweis auf Augustins Klassiker “Der Gottesstaat”, Erstes Buch, 8. – 10. Kapitel, ist hilfreich. Feser fasst zusammen: “In diesem Leben besteht zwar ein gewisser Zusammenhang zwischen Übeltaten und Leiden einerseits und Rechtschaffenheit und Segen andererseits, doch ist er alles andere als eng. Die Bösen genießen viele gute Dinge, während die Guten viel Unglück erleiden.”

Hier in Auszügen Augustin:

(I,8) Schenkte es Gott nicht manchem auf seine Bitten mit augenscheinlichster Freigebigkeit, so würden wir sagen, er habe damit nichts zu schaffen; gäbe er es anderseits allen, die ihn darum bitten, so würden wir zu der Meinung kommen, man brauche ihm nur um solcher Belohnungen willen zu dienen, ein Dienst, der uns nicht fromm, sondern vielmehr begehrlich und habsüchtig machen würde. 

… die Ungleichheit der Leidenden bleibt auch bei Gleichheit der Leiden bestehen, und wenn auch der gleichen Marter unterworfen, ist Tugend und Laster doch nicht das gleiche. Denn wie im gleichen Feuer das Gold glänzt, der Schaum rußt und in der gleichen Dreschmaschine das Stroh zerstoßen, das Getreide gesäubert wird und wie sich die Ölhefe mit dem Öl nicht vermengt, obwohl sie durch den Druck der gleichen Kelter ausgepreßt wird, so erprobt, reinigt und klärt ein und dasselbe Geschick die Guten und verdammt, vernichtet und verscheucht die Bösen.

(I,9) … Die erleiden nämlich zumal Züchtigung, nicht weil sie zumal ein schlechtes Leben führen, sondern weil sie zumal am zeitlichen Leben hängen, zwar nicht in gleicher Weise, aber doch eben auch, während die Guten es gering achten sollten, damit die andern sich eines bessern besännen und das ewige Leben erlangten oder, falls sie sich nicht anschließen wollten in diesem Streben, als Feinde ertragen und geliebt würden, da es ja, so lang sie leben, stets unsicher ist, ob sie nicht ihre Gesinnung zum bessern kehren.

(I,10) … Die Einbuße zeitlicher Güter ist für die Heiligen kein Verlust. Faß das einmal richtig und allseitig ins Auge und sieh zu, ob den Gläubigen und Frommen etwas Schlimmes begegnet ist, das für sie nicht zum Guten ausschlug; man müßte nur glauben, jener Ausspruch des Apostels: „Wir wissen, daß denen, die Gott lieben, alles zum Guten gereicht», sei leeres Gerede. Sie haben alles verloren, was sie hatten. Wirklich? Auch den Glauben? Auch die Frömmigkeit? Auch die Güter des inneren Menschen, der vor Gott reich ist? Das sind die Schätze der Christen.