Andacht: Häuser abgebrochen, um die Risse in der Mauer zu stopfen

Auf den ersten Blick war das eine seltsame Lektüre für den Heiligabend. Ich stand in meiner Bibellese in Jesaja 22. Viel schöner wäre es doch gewesen, sich Jesaja 9,5-6 zuzuwenden und über die wunderbaren Namen des Kindes, das uns geboren wurde, nachzudenken. Stattdessen las ich innerhalb eines Blocks von Gerichtsprophezeiungen über die «Last» der Gerichtsankündigung über das Zentrum des Südreiches Juda. Und plötzlich erkannte ich die Parallelen zu uns im 21. Jahrhundert.

In der Weihnachtsandacht (11 Minuten) dachte ich nach

  1. Über den Zustand des Propheten: Er war nicht zynisch, verurteilend oder einfach abgewandt-kalt, sondern weinte innerlich angesichts der nationalen Lage (V. 4).
  2. Der Zustand der Stadt: Es war nicht einfach eine der aktuellen technologischen Erfordernissen nicht mehr standhaltende Mauer – nein, die Mauer der Stadt Davids zeigte gar Risse. Das Volk war herannahenden Feinden schutzlos preisgegeben (V. 9).
  3. Die ad hoc-Massnahmen zum Stopfen der Löcher: Das Volk reagierte mit einem Akt der Verzweiflung. Sie brachen Häuser ab, um mit dem Schutt die Löcher der Mauer zu füllen; zudem sammelten sie in einem Becken Wasser (V. 10f).
  4. Der falsche Fokus: Mit diesen durch fehlende Langzeit-Massnahmen aus der Not heraus geborenen Bemühungen fehlte der Blick auf den, der alles seit langem so geführt und bereitet hatte (V. 11).
  5. Die momentane Betäubung: Dies wiederum führte zu Hoffnungslosigkeit und Resignation. Es breitete sich die Stimmung aus: «Lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot!» Betäuben wir uns für den Moment, um den nächsten zu vergessen.
  6. Auf die eigene Profilierung ausgerichtet: Umso seltsamer mutet das Verhalten Schebnas, des Palastverwalters an, der in Zeiten offensichtlicher Not daran war, sich ein eigenes Denkmal zu setzen, indem er sich sein eigenes Grab aushob (V. 16)
  7. Der Mann mit der Schlüsselgewalt: Auf diesem Hintergrund ist umso tröstlicher zu lesen, dass Gottes Plan zur Wiederherstellung bereits bestand – nämlich dass er einen Mann auserwählt und mit der Schlüsselgewalt Davids begabte (V. 22). Wir Menschen sind höchstens in der Lage, die momentanen Schäden notdürftig auszubessern. Doch der Gesalbte würde die menschliche Not wahrhaft wenden können.