Input: Selbstmitleid und pessimistischer Rückblick

Blogger Sergej hat zum Jahresende zwei lesenwerte Beiträge verfasst, die ich mir als Mann für 2023 zu Herzen nehmen kann:

Zum Selbstmitleid

Auf tatsächlich begangene Sünden reagiere ich selbst sündig! “Auf so einer Erde möchte ich auf gar keinen Fall mehr leben, Herr!”. Nicht dass der Kummer über Machtmissbrauch oder das Verlangen nach der Neuschöpfung nicht auch nötig und recht und richtig sind. Aber mein Jammern geht deutlich darüber hinaus. Meine Erfahrung rutscht zu sehr in den Vordergrund. So als wäre das, was mir widerfährt von zentraler Bedeutung für die Menschheitsgeschichte. Da sehe ich mich wieder als Opfer (ich Armer), weil jemand mir nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt hat, wie ich gehofft habe oder nicht so gehandelt hat, wie ich es mir vorgestellt habe… Und ich lebe plötzlich so, als wäre Gott tot; nicht mehr da, nicht mehr gut, als hätte er nicht auch das Böse unter Kontrolle. Meine Frau hat da wirklich die geistige Reife diesen gefährlich Zustand zu erkennen und verweigert mir sehr beharrlich und konstant weiteres Öl für meinen Selbstmitleid. Das ist WIRKLICH Gold wert.

Zur pessimistischen Umdeutung der Vergangenheit

Nach einer Menge solcher Absagen stießen wir nun auf einen Vermieter, für den das gar keine Rolle spielte. Das machte mächtigen Eindruck und so sagten wir, da diese Wohnung nun viel mehr Platz bot, dem Mietvertrag zu. Dabei spielte ich die Nachteile runter: Das Haus war ein hundert Jahre alt und befand sich an einer vielbefahrenen Straße direkt gegenüber einer lauten Kneipe.

Nach dem Einzug wurden weitere Probleme deutlich: Der Parkplatz war nicht nutzbar, die Heizung war so schwach, dass sie immer nur auf einem  der beiden Stockwerke lief und die Sicherung flog bei jedem Starten der Waschmaschine raus. Der Keller war derart durchgeschimmelt, dass selbst die eingelagerten Winterreifen, sehr bald anfingen, zu schimmeln. Dazu kam wohl noch, dass wir mitten zum Winter einzogen, diese dunkle Jahreszeit, die sowieso bereits mein Gemüt belastet.

So wurde uns bereits einige Tage nach dem Einzug klar, dass wir da wieder raus müssen. Das war mir furchtbar peinlich. Mir war klar, welche Rolle ich nun abgab. Ich konnte mir zu dem Zeitpunkt kaum etwas unmännlicheres und dümmeres vorstellen, als diesen Umzug.

Soweit die Szenerie meiner Erinnerungswelt. Etwas ganz anderes verkündigten die Clips:  Unsere älteste Tochter singt  lauthals “Ehre sei Gott” in die Kamera und der Sohn unternimmt die ersten selbstständigen Schritte. Eine unglaubliche Harmonie! Ich war ein Stückweit entsetzt. All das habe ich gänzlich vergessen. Stattdessen bestand meine Erinnerung for allem an den kalten Luftzug aus dem Flurfenster und den Sirenen der Feuerwehr in direkter Nachbarschaft.