Zitat der Woche: Was van Til an Barth schrieb

Cornelius van Til (hier geht es zu einer Fülle von Ressourcen) wollte Karl Barth 1927 kennenlernen; die Gelegenheit ergab sich erst Jahrzehnte später bei Barths Besuch in den USA 1962. Inhaltlich bestand ein grundsätzlicher Konflikt. Er schrieb zwei Werke: “The New Modernism” (1946) sowie “Christianity and Barthianism” (1962). Van Til blickt in einem persönlichen Schreiben auf die Begegnung zurück:

Als ich mich Ihnen schließlich auf dem Flur näherte und jemand Sie auf meine Anwesenheit aufmerksam machte und Sie mir freundschaftlich die Hand schüttelten und sagten: ‘Sie haben einige schlechte Dinge über mich gesagt, aber ich vergebe Ihnen, ich vergebe Ihnen’, war ich zu überwältigt, um zu antworten. …
Das Wichtigste, was ich sagen möchte, ist, dass ich Sie immer sehr bewundert habe. . . . Die Tatsache, dass meine Ansichten von Ihren veröffentlichten Schriften abwichen und dass ich versuchte zu sagen, warum, schmälerte nicht im Geringsten meine Wertschätzung für Sie persönlich. Und ich habe nie gesagt, dass Sie der ‘größte Ketzer’ aller Zeiten sind. . . . Ich habe niemals, niemals über Ihren persönlichen Glauben an diesen Christus [der Heiligen Schrift] geurteilt. . . . Wenn und soweit ich trotzdem Ihre Ansichten missverstanden und falsch dargestellt habe, bitte ich Sie um Christi willen um Vergebung.

Alex Tseng, der eine eindrückliche intellektuelle und geistliche Reise hinter sich hat (Cornelius van Til, James I. Packer, Herman Bavinck, Kant-, Hegel- und Barthstudien) und in der Tradition Bavincks steht, regt daraus für den Umgang an:

Wenn wir uns also fruchtbar mit Barth auseinandersetzen wollen, schlage ich vor, dass wir zwei notwendige Schritte unternehmen. Erstens: Wenn wir versuchen, Barths Theologie zu verstehen, sollten wir uns an den persönlichen Respekt erinnern, den Van Til für Barth hatte, und an seinen Wunsch, Barth persönlich kennen zu lernen.
Van Tils polemischer Ton mag als feindselig rüberkommen, aber Feindseligkeit war wirklich nicht seine Absicht und sollte es auch nicht unsere sein. Ein einfacher Grund dafür ist, dass Feindseligkeit unser Urteilsvermögen beeinträchtigt und uns unweigerlich von unseren eigenen Annahmen und möglichen Vorurteilen ablenkt. Zweitens, lassen Sie uns für den Moment das, was wir glauben, bereits über Barth zu wissen, zurückstellen, um zu einer fairen und objektiven Neubewertung seiner Theologie zu kommen.