E21 Konferenz: Der Siegeszug des modernen Selbst

Ron Kubsch präsentierte an der E21-Konferenz das neu übersetzte Buch “Der Siegeszug des modernen Selbst”. Ich habe mich vor einiger Zeit selbst mit Podcast und einem Vortrag zum Buch versucht. Hier ist meine Mitschrift.

Worum geht es?

  • Es geht um tiefgreifende, top-down-gelenkte Umwandlungsprozesse.
  • Dies bedeutet ein rigoroses Infragestellen fast aller Lebensbereiche.
  • Sie betreffen Sprechen, Rechtsprechung ebenso wie kirchliches Leben.
  • Die neue Ordnung richtet sich gegen die Schöpfungsordnung (Ehe, Wesen der Familie).
  • Sie ist begleitet von einem neuen Klima: Menschen werden aktiv unter Druck gesetzt.
  • Das Thema hat auf die Gemeinden übergegriffen und ist zum evangelikalen Binnenkonflikt geworden.

Wie gehen wir damit um?

Verschiedene Positionen sind bei Christen auszumachen:

  • Gar nichts / schweigen
  • Rückzug ins Private / meiden
  • Überdrehen und Panik
  • Anpassung an die Erwartungshaltung
  • Festklammern an Bibelstellen ohne wirklich überzeugt zu sein

Als Christen sollen wir den Wandel verstehen. Diesen können wir nur nachvollziehen, wenn wir den Wandel im Selbstverständnis verstanden haben.

Drei Hauptgedanken (Charles Taylor)

Soziales Vorstellungsschema

Es geht um die Art und Weise, wie Menschen sich die Welt vorstellen und intuitiv in ihr handeln (also stark emotional geprägt).

Dieses Schema hat folgende Bestandteile: Gott ist nur noch eine Option; moralische Normen nicht mehr von einer göttlichen Ordnung abgeleitet, sondern Geschmackfrage und Mehrheitsmeinung; Sex ist politische Angelegenheit statt Privatsache und damit Machtfrage

Mimesis und Poiesis
Mimesis – Nachahmung der Natur: Ausrichtung an Vorgegebenem (Schöpfungswirklichkeit)
Poiesis – Hervorbringen, erzeugen, dichten: Welt als Rohmaterial für die Sinnbildung

Wir leben in einer Zeit des Wandels von der ersten zur zweiten, ermöglicht durch technologische Entwicklung.

Expressiver Individualismus
Der psychologische Mensch (Philipp Rieff) fahndet in seiner nach innen gerichteten Suche nach persönlichem Glück. Die Gesellschaft hindert den Einzelnen daran, einfach er selbst zu sein. Man besucht beispielsweise Schulen um zu performen, nicht um geformt zu werden.

Konsequenzen für die menschliche Identität

  • Verschiebung (1): Der Mensch kann potenziell werden, was er werden will.
  • Verschiebung (2): Ausleben sexuellen Begehrens gilt als Voraussetzung zur Entfaltung des Selbst (gegen die patriarchalische Familienstruktur).
  • Anerkennung von anderen ist Teil der Identität. Es gilt anerkannt, geliebt und bejaht zu werden. Das neue Toleranzverständnis lautet: Affirmation statt blosser Akzeptanz

Dies führt zu einem kulturellen Bildersturm. Philipp Rieff nennt sie Todeswerke. Ziel ist es das Heilige zu zerstören. Ein umfassender Angriff auf die bestehende Kultur wird lanciert.

Herausforderungen für Gemeinden und Familien

  • Wir sind Pilger in einer fremden neuen Welt: Die Reste der alten verschwinden, z. B. durch sprachliche Veränderungen. Gebäude werden umbenannt, Denkmäler verschwinden.
  • Wir sind selbst Teilhaber und Produzenten dieser fremden neuen Welt. Wir sind in der therapeutischen Kultur gross geworden. (Gemeindeanschluss, Scheidung, Seelsorge)
  • Von der frühen Kirche können wir lernen was es heisst als Christen unverstanden, verachtet und randständig zu gelten.
  • Wir müssen zu einer biblischen Theologie des Leibes zurückfinden, um die Brücke vom biblischen Befund zum Leben ziehen zu können.
  • Verkündiger sind angehalten, den gesamten Ratschluss Gottes zu verkünden und sich nicht auf ein Einzelthema einzuschiessen.
  • Alle Menschen sind Anbeter (wir beten uns selbst an, sagt David Foster Wallace); es braucht eine Abkehr von den Götzen zum lebendigen Gott (1Thess 1,9).
  • Eine “Re-Naturierung” ist denkbar, denn: Es ist langfristig schwierig gegen Gottes Ordnung zu leben.