In Familienandachten las ich aus dem äußerst anschaulich geschriebenen Buch von Greg Gilbert “Warum ich der Bibel vertraue” vor (englisches Hörbuch; weiteres Grundlagenbuch über das Evangelium). Ich pflichte einem Rezensenten bei: “Geschrieben ist es in einem unterhaltsamen, eher journalistischen Stil. Die Kürze der einzelnen Kapitel ist auch für Wenigleser zu bewältigen.*
Hundertprozentige Gewissheit mag es in der Mathematik geben, wo die Dinge definiert sind, manchmal auch in der Naturwissenschaft, aber niemals in der historischen Wissenschaft. Es besteht immer die Möglichkeit, dass neue Dokumente auftauchen, die ein historisches Ereignis in Frage stellen. So kann man rein theoretisch argumentieren, dass wir ja gar nicht wissen, ob Caesar wirklich den Rubikon überschritten hat. „Es könnte ja sein”, mag jemand argumentieren, „dass sich einer seiner Soldaten als Caesar verkleidet hat, und die anderen dachten, es wäre Caesar selbst.” Vollkommen ausschließen lässt sich so etwas natürlich nicht, aber die Wahrscheinlichkeit ist doch sehr gering. Dies wäre letztlich eine Haarspalterei, mit der man alle historischen Ereignisse in Frage stellen könnte. Wenn wir uns auf eine solche Argumentationsweise einlassen, können wir die Geschichte als Wissenschaft vergessen. Hundertprozentig können wir niemals wissen, ob sich ein Ereignis wirklich so und nicht anders abgespielt hat. Wir sind daher auch nicht auf mathematische Gewissheit aus, sondern auf historische Zuverlässigkeit. Dass Caesar den Rubikon überschritten hat, ist nicht „bewiesen” in dem Sinne, wie es bewiesen (besser gesagt: definiert) ist, dass 1 + 1 = 2 ist. Es ist aber erwiesen, dass Caesar beim Überschreiten des Rubikon gesehen wurde. Und es ist mehr als wahrscheinlich, dass die Berichterstatter kein Interesse daran hatten, der Nachwelt irgendetwas vorzugaukeln. Insofern gilt die Überschreitung des Rubikon als historische Tatsache. Eine solche Art von historischer Gewissheit streben wir an, wenn wir die neutestamentlichen Evangelien untersuchen. Mehr können und dürfen wir nicht erwarten.
Zweitens ist zu bedenken, dass historische Tatsachen immer auch Konsequenzen hinsichtlich des menschlichen Handelns nach sich ziehen. Ich treffe gelegentlich Menschen, die mir sagen, dass sie niemals ihr Leben auf etwas auf bauen würden, das sie nicht selbst aus erster Hand erfahren haben. Was sie nicht selbst gesehen und eigenhändig untersucht haben, erscheint ihnen zu zweifelhaft, als dass man sein Handeln danach richten könnte. Auf den ersten Blick erscheint diese Argumentationsweise vernünftig. Sie klingt sogar einigermaßen intellektuell redlich. Wenn man der Sache auf den Grund geht, stellt man jedoch bald fest, dass niemand dieser Devise wirklich folgt. Wir alle vertrauen auf Dinge oder Ereignisse, die wir nur aus zweiter Hand wissen. Nehmen wir nur mein eigenes Leben. Ich war persönlich nicht zugegen, als die Verfassung der Vereinigten Staaten ratifiziert wurde. Und doch vertraue ich als Bürger der Vereinigten Staaten darauf, dass sie tatsächlich ratifiziert wurde. Und ich richte mein Leben nach dieser Grundüberzeugung aus. Das heißt, ich käme nicht auf die Idee, irgendwelche Wahlen zu boykottieren, weil man schließlich nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen kann, dass sie verfassungsmäßig sind. Oder nehmen wir ein anderes Beispiel: Kann ich wirklich zu hundert Prozent wissen, dass meine Eltern meine Eltern sind? Ich kann mich weder an meine eigene Geburt erinnern, noch habe ich jemals einen DNA-Test durchführen lassen. Und wer weiß? Vielleicht ist meine Geburtsurkunde ja nur eine Fälschung. Doch auch hier gilt: Habe ich auch letztlich keine mathematische Gewissheit, so spricht doch alles dafür, dass meine Eltern wirklich meine Eltern sind – und ich lebe seit vielen Jahren sehr gut mit dieser vertrauensvollen Gewissheit. Um diese Art von vertrauenswürdiger Gewissheit geht es auch in der historischen Forschung. (20-21)