In einer spannenden dreiteiligen Folge (Antike/Mittelalter, Aufklärung/Moderne, Postmoderne) führt der Berater Sascha Weigel im Gespräch mit dem Autor Heiko Wandhoff “Was soll ich tun?” durch die jahrtausendealte Geschichte der Beratung. Hierzu muss ich anfügen: Ich kann an manchen Ort lernen, auch wenn ich weltanschaulich zu anderen Schlussfolgerungen gelange. Dies trifft vor allem auf den dritten Teil zu, wo die Person-Konzepte aus systemisch-evolutionärer Sicht hergeleitet werden.
Die Fähigkeit des Ratgebens war neben der Fähigkeit zum Kämpfen eine der Haupttugenden in der Antike; im Mittelalter waren die Hof- und Reichstage zunächst unregelmäßig, an wechselnden Orten, ein Herrschaftsinstrument des Kaisers, später ein Verfassungsorgan, an dem man teilnehmen durfte und als ständisch-korporatives Organ Keimzelle des Parlamentarismus. Oftmals wurde in der Öffentlichkeit inszeniert, was vorher schon im Geheimen ausgehandelt worden war.
Eine neue These war für mich zudem die durch die Aufklärung aufgekommene Beratungsskepsis. Der Selbstberatungsimperativ der Neuzeit führt zur Abwertung von Fremdberatung (Nachfragen = Unfähigkeit zur Selbstreflexion?); dafür wurde die Selbstberatung betont. Interessanterweise führte dies parallel zum Aufkommen der Beratungsliteratur, die sich ja bis heute ungebrochener Beliebtheit erfreut.
Ein dritter fruchtbarer Gedanke war der Beratungsmangel in Not-Zeiten der grossen Umstellung, nämlich der Industrialisierung. Dies zeigt sich ja auch in gegenwärtigen Konflikten wie z. B. zwischen Russland und der Ukraine. Die zahllosen traumatisierten Menschen mangelt es an ausgebildeten Gesprächspartnern.