In seiner monumentalen Schilderung über Preussen beschreibt der Historiker Christopher Clark – gelesen von Frank Arnold – die generationsübergreifenden Vater-Sohn-Konflikte der Fürstendynastie von Friedrich I. (1657-1713), Friedrich Wilhelm I. (1688-1740) und Friedrich der Grosse (1712-1786). Die Landesherren sahen sich als Teil des “generationenübergreifenden historischen Projekts, bei dem jeder Herrscher die unerreichten Ziele seiner Vorgänger als seine eigenen betrachtete” (130). Parallel zu einer langen Zeit unaufhaltsamer Expansion des Fürstentums entfaltete sich ein tiefgreifender trans-generationaler Konflikt.
Da gibt es zunächst einmal zu bemerken, dass Friedrich Wilhelm I. in den Augen des Vaters “zu nichts gut” war und dessen Bruder bevorzugt wurde. Nur durch Intervention auswärtiger Herrscher konnte der Vater davor zurückgehalten werden, den späteren Thronfolger von der Erbfolge auszuschliessen.
Der Sohn unternahm in der Folge die Anstrengung, seinem eigenen Sohn “eine möglichst umfassende Ausbildung in der Kunst des Regierens angedeihen zu lassen”. Er gestand ihm deshalb “einen weitgehend unabhängigen Bereich zu” (131). Bedauerlicherweise konnte er aber nicht zwischen Errungenschaften innerhalb seines Staates und seiner eigenen Person unterscheiden, weshalb “jede Missachtung seiner Person eine Gefahr für seine historische Leistung, ja für den Staat selbst darstellte” (132). “Seiner Ansicht nach musste alles in sich zusammenbrechen, wofür er so hart gearbeitet hatte, wenn sein Nachfolger nicht »seinen Glauben, seine Gedanken, seine Neigungen und Abneigungen hätte, kurz, wenn der Thronfolger nicht sein Ebenbild würde«” (ebd.) Dies führte zu erheblichem Druckaufbau: “Er unterwarf ihn einer zermürbenden Routine von täglich zu erledigenden Aufgaben – Militärparaden, Inspektionsrunden, Ratsversammlungen –, alles auf die Minute genau geplant.” (133)
Wie reagierte der Sohn? Er “vervollkommnete die Kunst, sich dem Willen seines Vaters mit einer Art verschlagener Höflichkeit zu widersetzen.” Nach aussen fügte er sich dem Regime seines Vaters, während er sich privat “im Kreis von Vertrauten bewegte”. In der Öffentlichkeit “gab er sich kühl und distanziert. Im Geheimen jedoch lernte er Flöte spielen, schrieb Gedichte und häufte Schulden an. Mit Hilfe seines hugenottischen Lehrers Jacques Egide Duhan de Jandun legte er sich eine Bibliothek mit französischen Werken zu, die von freidenkerischen, aufgeklärten literarischen Interessen zeugten.”
1730 versuchte der Thronfolger zu flüchten. Es entlud sich “angesichts der Kämpfe und Intrigen von 1729/30 alles, was sich an Frustration und Ärger über die Behandlung durch seinen Vater über Jahre hinweg aufgestaut hatte.” Vom Vater zurückgeholt, “wurde er in ein Verlies gesperrt und gezwungen, die Kleidung eines Sträflings zu tragen. Seinen Bewachern wurde verboten, Fragen des Gefangenen zu beantworten.” (136) Sein Sohn wurde mit 185 bohrenden Fragen konfrontiert. “Für einen Mann, der besessen war von der Idee der Kontrolle, war offener Ungehorsam das Schrecklichste, was er sich vorstellen konnte.” Während der Mit-Drahtzieher der Flucht exekutiert wurde, wurde Friedrich in die Garnisonsstadt Küstrin ausquartiert. “Er gab den unterwürfigen, reuigen Büßer, ertrug klaglos das monotone Leben in der Garnisonsstadt Küstrin und erfüllte gewissenhaft seine Regierungspflichten, wobei er viel Nützliches lernte.” (139)