Input: Sokrates’ Medizinethik

Die ausgezeichneten Vorlesungen von David Roochnik zum antiken Schlüsselwerk “Der Staat” fassen die zentralen Ideen gut zusammen.

Die wesentlichen Elemente der „medizinischen Ethik“ des Sokrates sind folgende (Lektion 7, Kursbuch S. 24f):

  • Krankheiten, die durch „Müßiggang“ verursacht werden, sollen nicht behandelt werden. Nur Wunden und einfache, heilbare Krankheiten dürfen behandelt werden. (405d)
  • Die „gegenwärtige Kunst der Medizin ist eine Erziehung zur Krankheit“ (406a)
  • In der gerechten Stadt hat „niemand die Muße, ein Leben lang krank zu sein“ (406c)
  • Die Medizin sollte „diejenigen behandeln, deren Körper in gesundem Zustand ist aber eine bestimmte und eindeutige Krankheit in sich tragen“ (407d)
  • Die Medizin sollte weder „durch und durch kranke Körper“ behandeln
  • (407d), noch solche mit „einem von Natur aus kränklichen Körper“ (408a)
  • Diejenigen, die als untauglich für eine Behandlung erachtet werden, sollen sterben dürfen.

Sokrates hat radikale Ansichten:

  • Er bestreitet, dass es einen allgemeinen Zugang zur medizinischen Versorgung geben sollte.
  • Er bestreitet, dass der Zugang zu medizinischer Versorgung ein Recht ist.
  • Er würde Euthanasie befürworten.
  • Er bejaht die Praxis der Eugenik und der Abtreibung.
  • Er drängt auf eine rationale Verteilung der medizinischen Ressourcen.
  • Diejenigen, die am meisten zum Wohlergehen der Stadt beitragen können, verdienen es, dass ihnen die meiste medizinische Aufmerksamkeit zuteil wird.
  • Kritiker von Platon, darunter Karl Popper, haben der Republik vorgeworfen eine Blaupause für den Totalitarismus zu sein.

Sokrates’ radikale Ideen sollten uns – so Roochnik – dazu zwingen, über unsere eigenen Annahmen zu reflektieren.

  • Wir sind Egalitaristen und glauben, dass alle Menschen von Natur aus gleich sind.
  • Wir glauben an natürliche Rechte. Dies ist die Grundlage für die Gleichheit der Menschen.
  • Alle Menschen haben das Recht auf Freiheit und Würde.
  • Wir bejahen, dass das Leben an sich gut ist. Sokrates ist da anderer Meinung: Nur ein gutes Leben ist gut.