Input: Auslegungsfallen beim Lesen der AT-Propheten

Getrieben vom Bedürfnis “sofort etwas für den Alltag profitieren” zu wollen, sind Bibelleser geneigt, in eine oder mehrere dieser Fallen zu tappen:

  1. Durcheinander von antiken und modernen Nationen: Der Versuch, alttestamentliche Prophezeiungen mit bestimmten aktuellen politischen Regimen zu verbinden. Der moderne, säkulare Staat Israel unterscheidet sich nicht nur von jenem Israel der Bibel, sondern es ist auch äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich, nicht näher spezifizierte alttestamentliche Prophezeiungen mit bestimmten zeitgenössischen Ereignissen oder Völkern in Verbindung zu bringen.
  2. Konfusion bezüglich Genre: Die Annahme, dass die Auslegungsregeln für eine Gattung auch für eine andere gelten. Da die Literatur so vielfältig ist, muss sich der Ausleger von der Absicht der beiden Autoren leiten lassen und wörtliche Aussagen von Redewendungen, Symbolen und Metaphern unterscheiden, die alle in den Propheten häufig vorkommen.
  3. Vergeistlichen: Das Herauslösen einer Aussage aus der historischen Wahrheit, auf die sie Bezug nimmt, um eine „tiefere“ oder „geistliche“ Anwendung zu finden, die im Kontext nicht vorhanden ist.
  4. Personalisierung: Die Annahme, dass ein Text auf dich oder deine Gruppe in einer Weise zutrifft, wie er auf niemanden sonst zutrifft.
  5. Allegorisieren: Die Annahme, dass Teile eines Textes nur als Symbole für christliche Wahrheiten Bedeutung haben. Normalerweise wird bei diesem Ansatz die Absicht des biblischen Autors überhaupt nicht berücksichtigt.
  6. Verallgemeinern: Etwas Einzigartiges oder Ungewöhnliches so behandeln, als ob es für alle gleichermaßen gelten würde.
  7. Moralisieren: Die Annahme, dass sich aus jeder Bibelstelle Grundsätze für das Leben ableiten lassen. Manche Texte sagen uns nicht, wie wir leben sollen, sondern für wen wir leben sollen.
  8. Beispielcharakter als Norm benützen: Die Annahme, dass die Bibel, weil sie eine Handlung aufzeichnet, immer ein Beispiel ist, dem wir folgen sollten. Es wäre zum Beispiel falsch, aus der Tatsache, dass David mit Batseba sexuelle Unzucht trieb, zu schließen, dass wir berechtigt sind, dasselbe zu tun.
  9. Oberflächliches Christologisieren oder Typologisieren: Die Behauptung, dass eine Person, ein Ereignis oder eine Institution auf Christus hinweist, ohne dass dies exegetisch oder theologisch begründet ist. Wir wollen Christus finden, aber nur dort, wo er nach Gottes Willen zu finden ist.

Quelle: Jason S. DeRouchie, How to Understand and Apply the Old Testament: Twelve Steps from Exegesis to Theology (Phillipsburg, NJ: P&R Publishing, 2017), 57-58.