Nur dadurch, daß ein böser Wille vorherging, kam es zur bösen Tat. Der Anfang des bösen Willens aber liegt im Hochmut und nirgends anderswo. … Das geschieht, wenn der Geist ein übergroßes Wohlgefallen an sich selbst findet. Und ein solches Wohlgefallen ist dann vorhanden, wenn der Geist sich abkehrt von jenem unwandelbaren Gute, das ihm mehr gefallen sollte als er selbst.
… Gut allerdings ist es, sein Herz hoch zu tragen, aber nicht in der Richtung auf sich selbst, wie es der Hochmut macht, sondern in der Richtung auf den Herrn, was der Gehorsam tut, der sich nur bei den Demütigen findet. Es gibt also merkwürdigerweise eine Art Erniedrigung, die das Herz emporhebt, und eine Art Erhebung, die das Herz erniedrigt.
… Auf dem Wege offensichtlicher und aufgelegter Sünde, auf dem Wege einer Tathandlung wider Gottes Verbot, hätte also der Teufel den Menschen nicht eingefangen, wenn nicht der Mensch bereits an sich selbst Gefallen zu finden angefangen hätte. Daher kam es, daß der Mensch nun liebäugelte mit der Aussicht: „Ihr werdet sein wie die Götter“. Das hätten sie eher sein können, indem sie dem höchsten und wahren Urgrund durch Gehorsam anhingen, jedenfalls nicht, indem sie sich selbst Urgrund zu sein suchten aus Hochmut. Denn geschaffene Götter sind nicht in eigener Wahrheit Götter, sondern durch Teilnahme am wahren Gott.
… Zuerst also war im Verborgenen vorhanden die böse Gesinnung, wodurch sich der Mensch, indem er an sich selber Gefallen findet, als wäre er seinerseits Licht, von dem Lichte abkehrt, durch das er, wenn er an ihm sein Gefallen hat, selbst auch Licht wird; und dann erst folgte die böse Tat, begangen in voller Sichtbarkeit nach außen hin.
… Deshalb hat Gott zum Gegenstand seines Verbotes eine Begehungstat gemacht; eine solche läßt sich durch keinerlei Schein des Rechttuns entschuldigen.
Augustinus, Vom Gottesstaat, 14.13