Zitat der Woche: Wir sind auf der Bühne, weder Verfasser, Regisseur noch Zuschauer

In meinem Re-Reading aus dem reichhaltigen Fundus von Aufsätzen (Hörbuch) über C. S. Lewis kam ich am wunderbaren Aufsatz “Die letzte Nacht der Welt” (1951/52; englischer Text) vorbei:

Wir haben gelernt, uns die Welt als etwas vorzustellen, das langsam seiner Vollendung entgegenwächst, als etwas, das ‘fortschreitet’ oder ‘sich entfaltet’. Die christliche Apokalyptik bietet uns dergleichen Hoffnung nicht. Sie sagt nicht einmal – was unseren Denkgewohnheiten erträglicher schiene – einen allmählichen Zerfall voraus. Sie prophezeit ein plötzliches, gewaltsames Ende, das von aussen kommt…

Die Idee, die … das Zweite Kommen aus unserem Geiste verdrängt – dass nämlich die Welt langsam ihrer Vollendung entgegenreife -, ist ein Mythos und kein verallgemeinernder Schluss aus der Erfahrung. … Sie stellt unsern Versuch dar, den Handlungsablauf des Dramas zu erraten, in welchem wir als Personen auftreten. Aber wie können die Personen eines Stückes dessen Handlungsablauf erraten? Wir sind nicht der Verfasser, wir sind nicht der Regisseur, wir sind nicht einmal die Zuschauer. Wir stehen auf der Bühne. Die Szenen, in den wir vorkommen, gut zu spielen, geht uns viel mehr als, als die folgenden Szenen zu erraten. …

Die Lehre vom Zweiten Kommen des Herrn unterrichtet uns darüber, dass wir nicht wissen und nicht wissen können, wann das Welttheater zu Ende ist. Der Vorhang kann jeden Augenblick fallen

(Wir denken:) Kein guter und weiser Gott könnte doch wohl so unvernünftig sein, all (unser Tun) zu unterbrechen! Nicht ausgerechnet jetzt! Aber wir denken so, weil wir dauernd annehmen, wir verstünden das Spiel. Wir kennen das Stück nicht. Wir wissen nicht einmal, ob wir im ersten oder im fünften Akt stehen. Wir wissen nicht, wer die Haupt- und wer die Nebenpersonen sind. Der Autor weiss es. Das Publikum, wenn es eines gibt (wenn Engel und Erzengel und die ganze himmlische Heerschar Parkett und Ränge füllen) hat vielleicht eine Ahnung. Aber wir, die wir das Stück nie von aussen sehen, die wir keine andern Personen kennenlernen als die winzige Minderheit, die im selben Auftritt mitspielt wie wir, ohne die mindeste Kenntnis der Zukunft und sehr unzulänglich über die Vergangenheit informiert, wir können nicht ausmachen, welches der richtige Augenblick für das Ende ist.

… Wir sollenten die Lehre von der Wiederkunft des Herrn nicht ablehnen, weil sie sich schlecht mit unserer modernen Lieblingsmythologie verträgt. Gerade darum sollten wir sie um so höher schätzen und sie um so häufiger zum Gegenstand unseres Nachdenkens machen. Sie ist die Medizin, deren unser Zustand besonders bedarf.