Interview: Carl F. Henry über Leben, Theologie und Evangelikalismus

Anlässlich des Studiums der Klassiker “God, Revelation and Authority” stiess ich auf das Interview von Marc Dever mit Carl F. Henry (1997).

Ab Minute 35 berichtet Henry über Billy Graham, die Begegnung mit Karl Barth und unmittelbar danach mit Martyn Lloyd-Jones.

Henry attestiert Barth Brillanz als Theologe, als Kenner der Kirchengeschichte sowie Standhaftigkeit im Kirchenkampf, ebenso profunde Kenntnisse der Gegenwartskultur. Gleichzeitig kommt er zum Schluss, dass sein Kampf gegen den theologischen Liberalismus zu einer Alternative geführt hätte, die sich ähnlich auswirkten wie das von ihm Bekämpfte. Er erwähnt den impliziten Heilsuniversalismus anlässlich der Anekdote eines Besuchs von Barths Nichte an einer Evangelisation Grahams.

Bei allem Respekt gegenüber dem Schaffen Barth: Ich pflichte Henry zu. Ich empfehle die Beiträge von Carl Trueman zu Barth, Donald Carson sowie Albert Mohler zum US-amerikanischen Evangelikalismus.

Letzthin stiess ich auf diesen Podcast eines Interviews der Barth-Biografin Christiane Tietz. Sie kommentiert dort Barths Dreiecks-Verhältnis wie folgt:

Er fühlte sich schuldig, dass er nicht in der Lage war, die Ehe aufrechtzuerhalten, und auf der anderen Seite hatte Barth das Gefühl, dass er einer Scheidung nur zustimmen konnte, wenn seine Frau der Scheidung zustimmte. Also gab es keine. …

Ich hatte das Gefühl, dass jeder der drei Beteiligten sich irgendwie verantwortlich fühlten. Das klingt vielleicht ein bisschen komisch, aber es ist sehr wichtig für mein Verständnis. Jeder von ihnen versuchte, verantwortlich zu sein für die anderen. … 

Enge Freunde wussten um die Beziehung und dass er sich schuldig fühlte… Einem Freund schrieb er 1942, dass Charlotte sein grösster irdischer Segen gewesen sei. (Er bezeichnet es als) ‘das härteste Urteil über mein irdisches Leben. Ich stehe also vor Gottes Augen, ohne dass ich ihm auf die eine oder andere Weise entkommen kann. Es ist durchaus möglich, dass deshalb ein Element der Erfahrung in meine Theologie einfließt. Mir wurde verboten, der Legalist zu werden, der ich unter anderen Umständen hätte werden können.’

(Frage, ob Tietz beschämt war, als sie diese Briefe las) Ich habe diese Erfahrung gemacht, vor allem, wenn man diese Briefe liest, wo man spürt, wie sie weinen oder wie sie keine Lösung gefunden  und gekämpft haben.

(zur Publikation des Briefwechsels mit Charlotte von Kirschbaum) Das war sehr spät, erst im Jahr 2000 wurden die ersten Briefe veröffentlicht, in denen man die Spannungen in der Ehe sowie zwischen Barth und den Kindern spüren konnte, Diese sagten in einer Erklärung, dass sie wollten, dass das veröffentlicht wird, weil sie wollten, dass die Gerüchte aufhören und sie wollten, dass die Leute verstehen, wie wichtig das ist.

Ich verweise zudem auf die Rezension des nuancierten asiatischen Barth-Experten Shao Kai Tseng.