Zitat der Woche: Jüdische Weltgeschichte

Der deutsche Historiker Michael Wolffsohn (* 1947), geboren in Tel Aviv als Kind jüdischer Flüchtlinge, schreibt in seinem Werk “Eine andere jüdische Weltgeschichte” (Herder, 2022) zusammenfassend (13f):

Das ist der dreischichtige Kern der jüdischen Geschichte. Er gilt über alle Epochen hinweg bis in die Gegenwart. Je nach Ort und Zeit wechselt der Einfluss des jeweiligen Faktors:
1. Das Spannungsfeld zwischen dem Land Israel und der Diaspora-Vielzahl.
2. Der innerjüdische Gegensatz zwischen Weltoffenheit (Universalismus) und – teils durchaus selbstgewählter – Abgeschlossenheit (Partikularismus). …
3. Was ist Zeit und Raum übergreifend das Grundfaktum jüdischen Seins und Daseins, individuell ebenso wie kollektiv? Es ist eine ‘Existenz auf Widerruf’ (Georges-Arthur Goldschmidt), wobei der Widerruf von draussen in und auf die jüdische Welt ertönt.

Etwas später (33f):

Grundfaktum 1 der jüdischen Geschichte: Die längste Zeit lebten und leben die meisten Juden in Städten, wenngleich man … in der Hebräischen Bibel agrarische Traditionen erkennt. … Am Anfang war die Landwirtschaft. …. Während der hellenistisch-römischen Epoche Judäas setzte die städtische, besonders die Jerusalemer Oberschicht allmählich ihre materiellen und ideellen Interessen gegen die Lebensnotwendigkeiten der ländlich-bäuerlichen Unterschichten durch. … Auch die Diaspora-jüdische Gemeinschaft lebt und lebte überwiegend in Städten und dort meistens geballt in einem Stadtteil oder wenigen anderen.

Grundfaktum 2 der rund 3000-jährigen ‘Geografie’ der Juden: … 400 Jahre jüdische Geografie in Alt-Israel (nämlich während der altrorientalischen Königszeit) … knapp weitere 600 Jahre Jüdische Geografie in Alt-Israel (zwischen der Rückkehr der jüdischen Minderheit 518 v. u. Z. und der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 u. Z.). 74 Jahre Jüdische Geografie in Neu-Israel (1948-2022).