Nathaniel Gray Sutanto gibt am Anfang seiner neuen Studie zur theologischen Anthropologie – die er als Begleitband zu seiner theologischen Epistemologie sieht – einen Überblick über aktuelle dogmatische Fragen:
Wenn man die zeitgenössische dogmatische Literatur durchforstet, sieht man zum Beispiel konkurrierende Visionen für jede Dimension der theologischen Anthropologie.
- Zur Frage der imago Dei gibt es Modelle, die sich auf die einzigartige Struktur (und die Fähigkeiten) des Menschen, unseren Beziehungscharakter oder unsere Berufung als das, was das Bild ausmacht, konzentrieren.
- In Bezug auf die Beziehung zwischen Körper und Seele gibt es physikalische Modelle, die eine rein materialistische Darstellung der Seele bieten, oder ein dualistisches Modell, das der Seele Vorrang vor dem Körper einräumt, und es gibt Debatten über die Fähigkeiten der Seele und ihre Beziehung zum Körper.
- Was die Bestimmung des Menschen betrifft, so sind zwei Debatten entstanden: eine über die Frage, ob die Inkarnation das Mittel ist, durch das der Mensch nach dem Sündenfall mit Gott vereint wird, und die andere über die Bedeutung und den Stellenwert der “beautific vision”. Welche Rolle spielt der Körper? Und ist das Ende der Menschheit eher jenseitig oder diesseitig? Wird die Menschheit einheitlich sein, oder wird das Ende die Vielfalt einschließen, die sich im Laufe der Menschheitsgeschichte unter den Völkern entwickelt hat?
- Was die Ursprungssünde betrifft, so wird weiterhin darüber diskutiert, ob die Menschen an der Sünde Adams (bzw. der ersten menschlichen Gemeinschaft) schuldig sind oder lediglich durch sie verunreinigt werden, und es gibt weitere Fragen dazu, wie genau die Sünde Adams auf uns übertragen wird. Auf die Frage nach der Übertragung der Sünde Adams gibt es zwei Antworten. Der Föderalismus argumentiert, dass Adams Sünde auf uns übertragen wird, weil Gott bestimmt hat, dass Adam die Menschheit als ihr föderales Haupt repräsentiert, und daher Adams Sünde als unsere Sünde zählt. Auf der anderen Seite argumentiert der Realismus, dass Adams Sünde die unsere ist, weil wir irgendwie in Adam waren, an seiner menschlichen Natur teilhatten oder sozusagen in seinen Lenden sind.
- In der christlichen Ethik werden also auf der Grundlage dieser vorrangigen theologischen Antworten unterschiedliche Erklärungen für die Sünde angeboten: Ist Schuld etwas Gesellschaftliches oder nur etwas Individuelles? Liegt meine Verantwortung darin, meinen eigenen tugendhaften Charakter und meine Frömmigkeit vor Gott anzustreben, oder gibt es eine primär soziale Ausrichtung, die mein Handeln bestimmen sollte? Und wenn sich die Menschheit zu einer Vielfalt von Ethnien und Nationalitäten entwickelt hat, wie sollten wir dann die grundlegende Einheit der Menschheit charakterisieren?