Im Rahmen meiner Vorlesung zur Theologischen Anthropologie (2021) habe ich mich mit Cortez’ Werk Theological Anthropology: A Guide for the Perplexed (2010) und Christological Anthropology (2016) beschäftigt. So ganz schlau wurde ich nicht. Im Gespräch mit Matthew Barrett “Is Anthropology a Christological Affair?” gab es einige Klärung. Fragezeichen bleiben zurück; es bleibtdas Fragezeichen, warum es diese Linse von Barths Werk braucht. Hier ist eine KI-unterstützte Zusammenfassung von Cortez’ 11 Thesen.
These 1: Jesus ist die einzigartige Offenbarung der wahren Menschheit
Cortez beginnt mit der Aussage, dass Jesus die zentrale Offenbarung dessen ist, was es bedeutet, wahrhaft menschlich zu sein. Er unterscheidet zwischen theologischen und nicht-theologischen Ansätzen zur Anthropologie und betont, dass eine christliche Anthropologie auf Jesus Christus als Grundlage ausgerichtet sein muss. Er argumentiert: „Jesus offenbart die wahre Menschlichkeit, aber nicht alles, was wir über die Menschheit wissen müssen, lässt sich direkt aus seiner Menschlichkeit ableiten.“
These 2: Die ontologische (= Seins-mässige) Zentralität Jesu für die Menschheit
Die zweite These beschreibt, dass Jesu Menschheit ontologisch grundlegend für die Existenz aller Menschen ist. Cortez erklärt, dass Jesus nicht nur als Vorbild oder Archetyp dient, sondern dass seine Menschheit die Grundlage für Gottes gesamte Schöpfungshandlungen ist. Diese These verbindet die Inkarnation mit Gottes ewigem Schöpfungsplan: „Jesus ist der ontologische Grund dessen, was es bedeutet, Mensch zu sein.“
These 3: Eine teleologische und eschatologische Anthropologie
Cortez argumentiert, dass die Menschheit in Christus teleologisch auf die eschatologische Vollendung ausgerichtet ist. Im Gegensatz zu einer rein prologischen Anthropologie, die sich auf Genesis 1-2 konzentriert, betont er, dass die Menschheit ihr wahres Wesen in der Vollendung findet, wie sie in Jesus Christus sichtbar wird. Er erklärt, dass die Menschheit im Licht von Christi Auferstehung und ihrer eschatologischen Implikationen zu verstehen ist: „Es gibt eine Transformation, keine bloße Wiederherstellung.“
These 4: Vermeidung von Universalismus und Anthropologischem Exklusivismus
Cortez warnt vor zwei Extremen: dem soteriologischen Universalismus, bei dem alle Menschen gerettet werden, und dem anthropologischen Exklusivismus, bei dem nur bestimmte Gruppen als wahrhaft menschlich betrachtet werden. Er untersucht Karl Barth als Beispiel, dessen christologische Anthropologie Universalismus implizieren könnte: „Barths Lehre von der Erwählung könnte leicht zu Universalismus führen, auch wenn Barth das ablehnte.“
These 5: Anthropologische Wahrheiten müssen in der Christologie gegründet sein
Cortez stellt klar, dass grundlegende Wahrheiten über die Menschheit in der Christologie verankert sein müssen. Er unterscheidet zwischen „gegründet in“ und „abgeleitet aus“, um zu zeigen, dass die Anthropologie von der Christologie geprägt, aber nicht direkt davon abgeleitet wird. Diese differenzierte Herangehensweise vermeidet eine vereinfachte Projektion von Christi Eigenschaften auf alle Menschen. Beispielsweise erklärt er: „Jesus war männlich, aber das macht Männlichkeit nicht zum zentralen Merkmal der Menschlichkeit.“
These 6: Christologische Anthropologie als interpretativer Rahmen
Die Christologie bietet laut Cortez einen Rahmen, um andere anthropologische Erkenntnisse zu interpretieren. Wissenschaftliche und philosophische Einsichten sollten in Beziehung zur biblischen Offenbarung gebracht werden. Die Imago Dei (Gottesebenbildlichkeit) bleibt zentral, wird aber im Licht von Jesus neu verstanden: „Die Imago Dei muss christologisch interpretiert werden, um ihre volle Bedeutung zu entfalten.“
Thesen 7 und 8: Die Konkretheit von Jesu Existenz
Cortez fordert, dass eine christologische Anthropologie die konkreten Details von Jesu Leben berücksichtigt, einschließlich seiner Ethnie, Geschlecht und Zeit. Er warnt davor, diese spezifischen Eigenschaften zu ignorieren und stattdessen nur auf vage Abstraktionen wie „Relationalität“ oder „Physikalität“ zu fokussieren. Er argumentiert, dass eine solche Abstraktion den Bezug zu den realen historischen Bedingungen des Lebens Jesu verlieren könnte. Gleichzeitig betont er die Balance zwischen Kontinuität und Diskontinuität zwischen Jesus und anderen Menschen. Diese Herangehensweise zeigt, dass Jesus sowohl einzigartig als auch repräsentativ für die Menschheit ist: „Jesu konkrete Menschlichkeit ist eine Offenbarung, wie wir in unserer eigenen gebrochenen Menschlichkeit treu leben können.“
These 9: Kein direkter Übergang von der Christologie zur Anthropologie
Cortez warnt davor, einfache Schlüsse von Jesus auf die Menschheit zu ziehen. Dies würde die Komplexität von Jesu Identität als Gott-Mensch und seine Einzigartigkeit untergraben. Er illustriert dies anhand problematischer Annahmen, wie: „Jesus ist männlich, daher ist Männlichkeit zentral für die Menschlichkeit.“ Er fordert eine nuancierte Verbindung zwischen christologischen und anthropologischen Aussagen.
These 10: Eine christologische Anthropologie bleibt trinitarisch
Entgegen der Befürchtung, dass eine christologische Fokussierung die Rolle des Geistes oder der Trinität vernachlässigt, argumentiert Cortez, dass eine korrekte christologische Anthropologie immer trinitarisch bleibt. Die Beziehung von Vater, Sohn und Geist bildet den Rahmen für alles, was Jesus als Mensch enthüllt: „Christologie ist untrennbar von Pneumatologie und Trinitätslehre.“(cortez christological a…)
These 11: Jesu Menschlichkeit in einer gefallenen Welt
Zum Abschluss betont Cortez, dass Jesu Menschlichkeit zeigt, was es bedeutet, in einer gefallenen Welt zu leben. Er diskutiert die Annahme einer „gefallenen Menschlichkeit“ durch Jesus, um zu zeigen, dass Jesus inmitten von Sünde und Zerbrochenheit treu war. Dies liefert eine Vorlage für menschliches Leben in der Gegenwart: „Jesu Leben zeigt uns, wie man treu in einer gebrochenen Welt lebt.“(cortez christological a…)
Meine Anschlussfrage: Wie steht Cortez zu Barth? Barth dient Cortez als bedeutender Einfluss, insbesondere in Bezug auf die christologische Fokussierung der Anthropologie, wird aber auch in wichtigen Punkten hinterfragt.
Auf Barth gestützt
- Christologische Grundlegung der Anthropologie
Cortez stimmt mit Barth darin überein, dass Jesus Christus der zentrale Bezugspunkt für jede theologische Anthropologie ist. Wie Barth in der Kirchlichen Dogmatik betont, offenbart Christus nicht nur Gottes Wesen, sondern auch das Wesen des Menschen. Cortez sieht diese Einsicht als grundlegend und schreibt: „Jesus offenbart die wahre Menschheit. Ohne ihn als zentralen Bezugspunkt verlieren wir den Kern dessen, was es bedeutet, Mensch zu sein.“ Cortez erkennt Barths christologischen Ansatz als Grundlage für eine theozentrische und biblisch fundierte Anthropologie an. - Verbindung von Gnade und Menschheit
Cortez bezieht sich auf Barths Konzept der Gnade als bestimmenden Faktor der menschlichen Existenz. Wie Barth sieht auch Cortez die Menschheit als durch Gottes Gnade konstituiert: „In Jesus Christus wird die Menschheit nicht nur erschaffen, sondern auch erneuert und vollendet.“ Barth hat diese Vorstellung in seiner Lehre von der Erwählung systematisch entfaltet, und Cortez schließt sich an, indem er die Gnade als Fundament der Menschheit betont. - Ablehnung des Anthropozentrismus
Cortez folgt Barth in seiner Kritik an anthropozentrischen Ansätzen, die versuchen, die Menschheit unabhängig von Gottes Offenbarung zu definieren. Er argumentiert ähnlich wie Barth, dass menschliche Vernunft oder Erfahrung niemals ausreichend sind, um eine vollständige Anthropologie zu entwickeln.
Abgrenzung zu Barth
- Gefahr des Universalismus
Cortez kritisiert Barth für die potenziellen universalistischen Implikationen seiner Theologie der Erwählung. Während Barth argumentiert, dass in Jesus Christus alle Menschen erwählt und geliebt sind, sieht Cortez darin eine theologische Spannung. Er schreibt:
„Barths Lehre von der Erwählung könnte leicht zu einem soteriologischen Universalismus führen, obwohl Barth selbst dies entschieden abgelehnt hat.“ Cortez distanziert sich hier, indem er betont, dass die Universalität der Gnade nicht automatisch die universelle Errettung aller bedeutet. - Direkte Ableitungen aus der Christologie
Cortez warnt vor Barths Tendenz, anthropologische Aussagen direkt aus der Christologie abzuleiten. Er argumentiert, dass dies zu einer Überbetonung der Kontinuität zwischen Jesus und anderen Menschen führen kann. Cortez schreibt: „Barths Ansatz birgt die Gefahr, dass bestimmte Eigenschaften Jesu – etwa seine Männlichkeit oder seine jüdische Ethnie – zu allgemeinen Merkmalen der Menschheit erhoben werden.“ Diese Kritik betrifft vor allem die Notwendigkeit, Diskontinuitäten zwischen Jesus und der Menschheit zu wahren. - Unklarheit in der Schriftlehre
Cortez weist darauf hin, dass Barths Verständnis der Schrift als Zeugnis der Offenbarung gewisse epistemologische Probleme aufwirft. Er schreibt: „Barth betont, dass die Bibel durch den Heiligen Geist zum Wort Gottes wird, aber dies kann zu einer Subjektivierung des Schriftverständnisses führen.“ Cortez fordert eine stärkere Verankerung der Schrift in der theologischen Anthropologie. - Historische Verortung Jesu
Cortez kritisiert Barth für dessen oft unzureichende Betonung der konkreten historischen Bedingungen von Jesu Leben. Er schreibt: „Jesus offenbart die wahre Menschlichkeit inmitten spezifischer historischer und kultureller Umstände. Barth betont jedoch stärker die ontologische Ebene als die historische Verortung.“ Cortez plädiert für eine stärkere Berücksichtigung der historischen Dimension von Jesu Menschlichkeit.
Hier wird die biblische Basis erläutert:
1. Christus als Bild Gottes und archetypischer Mensch
Die Imago Dei (Gottesebenbildlichkeit) ist ein zentraler Begriff für das Verständnis der Menschheit. Die biblischen Aussagen zur Imago Dei beginnen in der Genesis (Gen 1,26; 5,3; 9,6) und finden ihre Erfüllung im Neuen Testament, wo Christus als „das Bild des unsichtbaren Gottes“ bezeichnet wird (Kol 1,15; 2 Kor 4,4; Hebr 1,3). Christus wird als „das genaue Abbild von Gottes Wesen“ beschrieben und damit zum Maßstab für die Imago Dei.
Psalm 8, der die Herrschaft des Menschen über die Schöpfung thematisiert, wird in Hebräer 2 auf Christus bezogen. Diese Verbindung unterstreicht, dass Christus die wahre und vollkommene Auslegung der Imago Dei ist. Er gibt dieser Ebenbildlichkeit eine positive inhaltliche Bedeutung und zeigt, was es bedeutet, „nach dem Bilde Gottes geschaffen“ zu sein (Watson, Tanner, McFarland). Dies liefert eine starke Grundlage dafür, die Anthropologie in der Christologie zu verankern.
2. Christus als ideales Vorbild für die Erlösten
Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Darstellung Christi als ethisches und existenzielles Vorbild. Die Schrift zeigt, dass Sünde nicht nur individuelle Handlungen umfasst, sondern die gesamte menschliche Natur und Gemeinschaft verformt hat (Röm 1,18–32; Eph 4,17–24). Christus jedoch offenbart, was es bedeutet, wahrhaft menschlich zu leben. Seine Menschwerdung zeigt das Ziel (Telos) der Menschheit und bietet ein Modell für ein Leben in Übereinstimmung mit Gottes Absichten.
Im Neuen Testament wird betont, dass die Erlösten nach dem Bild Christi erneuert werden (2 Kor 3,18; Eph 4,23–24; Kol 3,10). Diese Erneuerung weist darauf hin, dass Christus als Vorbild für menschliches Leben und Gerechtigkeit dient. Texte wie Philipper 2,3–11 und Epheser 4–5 rufen zur Nachahmung Christi auf, insbesondere hinsichtlich seiner Demut und seines Opferdienstes. Das Evangelium betont, dass Christus „das ideale menschliche Vorbild“ ist, wie Mark Strauss argumentiert. Jesus zeigt eine Menschheit, die vollständig von Gott abhängig ist und im Vertrauen auf ihn lebt.
Darüber hinaus präsentiert Christus eine neue Form der Gemeinschaft. Während Genesis 1–2 die Menschheit als relational beschreibt, wurde diese Harmonie durch den Sündenfall zerstört. Christus offenbart, wie diese Gemeinschaft wiederhergestellt werden kann, indem er sich radikal für andere hingibt (Lk 22,24–27; Joh 15,13). Texte wie Galater 3,25–29 und Kolosser 3,11 zeigen, wie Christus ethnische, soziale und kulturelle Barrieren überwindet, um eine neue Gemeinschaft zu schaffen, die auf seiner Person basiert.
3. Christus als eschatologisches Ziel der Menschheit
Christus wird als der „Neue Adam“ dargestellt (Röm 5,12–21; 1 Kor 15,42–49). Diese Typologie verbindet ihn mit der Schöpfungsgeschichte, wobei er den ursprünglichen Adam nicht nur ergänzt, sondern übertrifft. Während Adam chronologisch zuerst kommt, sieht man in Christus das Ziel der Menschheit, das bereits in der Schöpfung angelegt ist.
Die Schrift spricht explizit von der eschatologischen Hoffnung, dass die Menschheit zum Bild Christi umgestaltet wird. Passagen wie 1 Johannes 3,3, Römer 8,29 und 1 Korinther 15,49 zeigen, dass die Menschheit dazu bestimmt ist, das Bild Christi zu tragen und in seiner Herrlichkeit teilzuhaben. Erin Heim interpretiert dies im Kontext der paulinischen Adoptionslehre (Röm 8,15–23; Eph 1,5) und argumentiert, dass das Ziel der Menschheit die Angleichung an Christus als den Erstgeborenen ist.
Ein wichtiger Aspekt dieser eschatologischen Hoffnung ist die Vorstellung vom verwandelten Körper. Christus’ Auferstehungskörper, der seine Wundmale trägt (Joh 20,24–27), wird als Vorbild für die zukünftige Auferstehung der Menschheit gesehen. Dies hat weitreichende Implikationen für das Verständnis von Behinderung und Identität in der neuen Schöpfung.