Rousas J. Rushdoony ist eine schillernde Figur in der sogenannten Christian Reconstructionism-Bewegung. Es sei gleich zu Beginn gemerkt: Ich kann dieser Bewegung theologisch in mancher Hinsicht nicht folgen (Postmillenialismus, politische Theologie).
Umso interessierter war ich an der Studie des irischen Historikers Crawford Gribben “Survival and Resistance in Evangelical America: Christian Reconstruction in the Pacific Northwest”. Vom selben Autor gibt es zwei weitere überaus interessante Studien: “J.N. Darby and the Roots of Dispensationalism” und “The Rise and Fall of Christian Ireland”.
Selbstverständnis “Marginalisiert”
- Diese Bewegung, die in der Arbeit von R.J. Rushdoony und Gary North wurzelt, propagiert eine optimistische Eschatologie und die Anwendung alttestamentlicher Gesetze auf Regierung und Gesellschaft.
- Eine bemerkenswerte Strategie der Bewegung ist die Konzentration auf den pazifischen Nordwesten, wo intentional gegründete Gemeinschaften entstehen. Diese zielen darauf ab, gesellschaftliche und politische Strukturen zu transformieren. Der Fokus liegt auf langfristigen kulturellen Veränderungen, mit dem Ziel, eine christliche Gesellschaft zu etablieren.
- Die Bewegung beansprucht eine marginalisierte Position, während ihr Einfluss wächst, was durch konservative Tendenzen des Obersten Gerichtshofs und politische Entwicklungen verstärkt wird.
Religiöse Migration
- Die Region, von einigen als „American Redoubt“ bezeichnet, wird von Evangelikalen und konservativen Christen als Zufluchtsort gewählt, um sich auf eine erwartete gesellschaftliche Krise vorzubereiten.
- James Wesley Rawles, ein Bestsellerautor und ehemaliger Militärgeheimdienstler, propagiert die Idee eines Rückzugs in eine autonome, konservative christliche Gemeinschaft, die durch biblische Gesetze und libertäre Politik geprägt ist.
- Die Migration wird als Strategie des Rückzugs beschrieben, die jedoch langfristig eine umfassende gesellschaftliche Transformation anstrebt.
Eschatologische Position
- Der Postmillenialismus widersetzt sich dem dispensationalistischen Pessimismus, der den Untergang der Gesellschaft als unausweichlich ansieht, und propagiert stattdessen eine optimistische Vision, in der christliche Prinzipien die Weltordnung erneuern.
- Die Gegenwart wird als tiefe kulturelle Krise gesehen, die durch politische und moralische Veränderungen in den USA verstärkt wird. Vertreter der Bewegung streben an, dieser Krise zu entkommen, sondern eine christlich geprägte Alternative zu schaffen.
- Es wird deutlich, wie Eschatologie sowohl Rückzug als auch aktives Engagement motiviert, um eine langfristige christliche Transformation zu erreichen.
Politische Strategien
- Gribben schildert den Prozess Fragmentierung großer religiöser Koalitionen wie der Moral Majority und ihrer Ersetzung durch eine Vielzahl kleinerer, vielfältiger Interessengruppen.
- Die Bewegung vertritt eine Form der Lehre des „lesser magistrate“, die das Recht auf Widerstand gegen Regierungen unter bestimmten Bedingungen betont.
- Die Bewegung ist intern gespalten, insbesondere hinsichtlich der Mittel und Ziele. Es gibt Spannungen zwischen verschiedenen Ansätzen, von radikalen revolutionären Ideen bis hin zu moderaten, reformorientierten Strategien.
Bildung
- Grundthese: Das öffentliche Bildungssystem beanspruche eine „messianische“ Rolle und festige so die Kontrolle des Staates über die Gesellschaft.
- Die Rekonstruktionisten plädieren für die vollständige Trennung von Staat und Bildung und lehnen staatliche Subventionen oder Regelungen für christliche Schulen ab.
- Die Bewegung hat eine bemerkenswerte Fähigkeit zur Organisation und Mobilisierung bewiesen.
Medien
- Medien werden genutzt, um Botschaften zu verbreiten, Gemeinschaften zu stärken und kulturelle sowie politische Ziele zu verfolgen.
- Technologische Innovationen und strategische Medienarbeit werden eingesetzt, um die Bewegung national und international sichtbar zu machen.
- Während einige Autoren auf eine breite Mainstream-Zielgruppe abzielen, fokussieren sich andere auf spezifische Leserschaften.
Die Krise der westlichen Zivilisation und der Rückzug ins Lokale
- Der kulturelle Verfall sei so tiefgreifend, dass politische Reformen keinen Erfolg mehr versprächen. Stattdessen plädierte er für einen Rückzug aus der säkularen Gesellschaft, um christliche Werte und Gemeinschaften zu bewahren.
- Die Wiederherstellung einer biblischen Gesellschaftsordnung wird als Antwort auf den kulturellen Niedergang gesehen.
- Die Medienarbeit ist sowohl Ausdruck des kulturellen Rückzugs als auch ein Mittel, um die Ideale der Bewegung weiterzuverbreiten.
- Die Uneinigkeit über theologische und politische Fragen hat die Bewegung fragmentiert.